"Keinen Fußbreit den Faschisten" hieß es im "Fechenheimer Aufruf", in dem zu einem gemeinsamen Spaziergang zur Mainkur ab 5.30 Uhr mobilisiert wurde. Ein buntes Spektrum von Autonomen, Punks, türkischen Revolutionären, den Falken, Bürgern, Gewerkschafts- und Kirchenvertretern sowie anderen Antifaschisten sammelte sich vor einem Gemeindehaus, in dem viele der 200 Gäste übernachteten. Mit etwa 200 Teilnehmern kamen wir noch vor 6 Uhr auf die Route, auf der die Nazis marschieren wollten. Wir überschritten dann noch die Ecke Alt-Fechenheim/Am Gansbühl, als sich die Bullen vor uns zusammenzogen und uns den weiteren Weg versperrten. Mit einem großen Transparent stellte sich unsere erste Reihe ihnen entgegen. Im Nu standen auch zwei Lautsprecherwagen auf der Ecke am Gansbühl. Es wurde unter Zustimmung aller Anwesenden verkündet, dass wir vor Ort bleiben und den Platz nicht freiwillig verlassen werden, solange die Möglichkeit bestehe, dass die Nazis 500 Meter von uns entfernt losmarschieren können. In Verhandlungen sagten die Bullen zu, den ihnen vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zwischen uns und den Nazis einzuhalten versuchen, indem sie die Nazis nicht in unsere Nähe werden kommen lassen.
In den nächsten Minuten wuchsen wir auf 300 Teilnehmer an. Spätaufsteher,
Bürger und neu Ankommende gesellten sich zu uns. Der beginnende Regen vertrieb
manchnen an eine Häuserwand, dennoch blieb die Stimmung gut. Unser erstes
Ziel, die Nazi-Route zu besetzen, hatten wir erreicht. Noch nach 6 Uhr kam man
mit dem Auto über die Carl-Ulrich-Brücke von Offenbach zu uns. Danach
ging es relativ problemlos über die nahe Fußgängerbrücke
über den Main und auch über die Autostrecke, wobei dort von den Bullen
die Rucksäcke
kontrolliert wurden. In Alt-Fechenheim hielten sich bis zum Mittag bis zu 500
Gegendemonstranten auf. Die Bullen standen in Vierergrüppchen an mancher
Straßenecke.
Über den Lautsprecherwagen, den die Falken stellten, wurden wir informiert, dass eine Stunde nach unserem auch die anderen geplanten Blockadepunkte besetzt waren. Auch weiterhin wurden wir gut von den autonomen und antifaschistischen Gruppen vor Ort informiert, was sonst wo abging. Den ganzen Vormittag wurde abwechslungsreiche Musik gespielt (unter anderem Brothers Keepers, Jan Delay, Yok Quetschenpaua, Ton Steine Scherben und viele Hits zum Mitwippen), ein paar Redebeiträge gehalten und die Live-Berichte von Radio-X direkt auf die Boxen übertragen. Besonders die Berichte ab 9 Uhr vom Nazi-Treffpunkt Mainkur amüsierten uns: Um 9 Uhr seien gerade mal 10 Nazis, der Anmelder und ein Würstchenstand vor Ort gewesen. Herzlich gelacht haben wir unter unseren Regenschirmen über die Erzählungen, dass die Nazis in ihren weißen Socken, z.T. über ihre Springerstiefel gezogen, und ohne ihre Bomberjacken im T-Shirt herumstanden.
Die Anwohner hatten ihre Rollläden im Erdgeschoss geschlossen und warfen nur Ab und An aus oberen Stockwerken Blicke auf uns, anstatt uns Kaffee und Kuchen zu kochen bzw. zu backen. Organisierte Antifas haben in einem Kinderwagen belegte Semmeln und Stullen mitgebracht. Da viel Wasser von oben kam und es im Gegensatz zum vergangenen 1. Mai kein heißer Tag war, war Mineralwasser mehr als ausreichend vorhanden.
Als wir gegen 10.30 Uhr hörten, dass die Nazis mit etwa 100 Leuten losmarschieren wollen, zogen die Bullen weitere Kräfte auf und behelmten sich. Wir bildeten Ketten und standen ihnen fest geschlossen gegenüber. Der bisher nett- und friedlich-tuende Einsatzleiter vor Ort teilte über den Bullenlautsprecher mit, dass er eine Anweisung von oben hätte und uns nun auffordern müsse, den Platz zu räumen. Wir bekundeten ausdrücklich - auch über unseren Lauti - dass wir dem nicht Folge leisten, sondern bleiben werden. Nach Glockengeläut begann dann um 10.45 auf unserem Blockadeplatz das für 10.00 Uhr an der Herz-Jesu-Kirche geplante Ökumenische Friedensgebet. Die Bullen kamen der Aufforderung "Helm ab zum Gebet" schließlich nach und die Situation entspannte sich. Einige Blockadeteilnehmer fühlten sich in ihrer Rolle als unfreiwillige Gottesdienstteilnehmer nicht wohl, verließen den Platz, kritisierten vereinzelt lautstark die Worte der drei Kirchenvertreter oder bekundeten in Gesprächen mit Nebenstehenden ihre Unzufriedenheit mit der momentanen Situation. Die ausgewählten Lieder und sogar das Vater-Unser sangen bzw. sprachen nur wenige mit. Eine Ausnahme war der Abschlusssong "We shall overcome". Egal wie man zu dem Friedengebet steht, irgendwie passte es zu dem bunten anwesenden Spektrum. Und neben der Blockade war auch dies etwas besonderes in Fechenheim. Mit Sicherheit gab und gibt es in nächster Zeit dort keine so zahlreich besuchte ökumenische Veranstaltung.
Nachdem der Nazi-Aufmarsch vor seinem Stattfinden bereits vor 11.30 Uhr abgebrochen wurde, blieben wir noch, bis die Nazis in ihre Sonderzüge der Bahn einstiegen. Einzelne andere sind bereits früher gegangen, wahrscheinlich um vom Schienenrand die Nazis auf ihrem Weg nach Hanau mit Steinen einzudecken. Wir machten uns dann zu Fuß auf den Weg zum Paulsplatz, wohin die anderen Blockadepunkte mit inzwischen über 2500 Teilnehmern mit zwei Demozügen bereits hingezogen waren.
Berichte von den anderen Blockadepunkten:
Hanauer Landstraße (Richtung Hanau) | Vilbeler Landstraße/Kilianstraße |
Paulsplatz (1. Demozug) | Paulsplatz (2. Demozug) |
Bericht von der Abfahrt |