Am Donnerstag dem 2. Mai 2002 zeichnete sich ab. dass Worch die Drohung vom 1. Mai wahr machen würde, am Samstag erneut eine Demonstration in Frankfurt anzumelden. Am 3. Mai wiederum wurde klar. dass die Nazis eine Genehmigung für eine Kundgebung auf dem Danziger Platz und eine Demoroute durch das Ostend hatten, und zwar für den Zeitraum zwischen 12 und 20 Uhr. Das Motto: "Gegen Behördenwillkür". Die Anti-Nazi-Koordination mobilisierte für 11 Uhr zum Altrcd-Brehm-Platz, zu einer von der SPD angemeldeten Kundgebung. Auf einem kurzfristig angesetzten Plenum am Freitagabend mobilisierte die Antifa ebenfalls zum Zoo, die Infostruktur wurde wieder aktiviert und ein ähnliches Konzept wie am 1. Mai sollte versucht werden - mit Blockadepunkten rund um den Aufmarschort.
Bereits in der Nacht zum Samstag begann die Polizei mit umfangreichen Absperrmaßnahmen rund um den Danziger Platz. Entlang der geplanten Demoroute wurden Absperrgitter bereitgelegt. Am Morgen des 4. Mai war dann die komplette Route von der Polizei abgesperrt
Zwischen 11 und 12 Uhr trafen am Zoo ca. 1000 Gegendemonstrantlnnen ein. Die
meisten zogen weiter zu kurzfristig improvisierten Blockadepunkten entlang der
Demoroute. Es wurde versucht, den Nazis die Zuftahrtswege zum Kundgebungsplatz
zu versperren. Dies gelang auch an vielen Stellen recht gut. Jeweils an den
Polizeigittern blockierten Leute die Hanauer Landstraße Ecke Hölderlinstraße,
die Sonnemannstraße auf Höhe der Großmarkthalle und später
auch die Ostendstraße. Einer Gruppe von 40 Leuten gelang es, im Bereich
Ostbahnhofstraße/Hanauer Landstraße auf die geplante Nazi-Demoroute
zu gelangen, wo sie bis ca. 18.30 Uhr bleiben konnten. Wiederum andere versuchten
sich in der Waldschmidtstraße, der Habsburger Allee Ecke Rhönstraße,
am Röderbergweg und an der Ostparkstraße. Von letzterem Punkt aus
setzte sich dann eine Gruppe von 200 Leuten Richtung Hanauer Landstraße
-Honselbrücke in Bewegung, incl. Lautsprecherwagen, um die Zufahrt Hanauer
Landstraße von Osten her zu blockieren. An der Ecke Hanauer Landstraße/Hagenstraße
wurden sie allerdings von einem starken Polizeiaufgebot gestoppt.
Hier gab es eine kurze Auseinandersetzung mit Nazis, in deren Verlauf mehrere
Antifas festgenommen wurde. Ein Naziauto wurde dabei beschädigt, Die Sperrung
der Hanauer Landstraße für den Autoverkehr hatte zur Folge, dass
der Verkehr im Bereich Ratsweg. Ratswegkreisel bis Kaiserlei komplett zum Erliegen
kam. Allerdings gelang es nicht, auch noch die Honselbrücke zu blockieren,
den einzigen, nicht von GegendemonstrantInnen blockierten Zufahrtsweg zum Danziger
Platz, den es zu diesem Zeitpunkt noch gab.
Um ca. 14 Uhr befanden sich gerade einmal 20 Nazis auf dem Danziger Platz. Der
"große Führer" Worch war noch nicht aufgetaucht. Offenbar
ziemlich planlos versuchte dieser, mit seinem VW-Golf mit Lautsprecheranlage
und weiteren 4 mit Glatzen vollbesetzten Autos zuerst über die Waldschmidtstraße
zum Danziger Platz zu gelangen. Das Ganze ohne Polizeischutz, laut Augenzeuginnen
lediglich ein Ziviauto im Schlepptau. Dort gab es allerdings kein Durchkommen
für ihn. Minuten später tauchte sein Konvoi auf dem Alfred-Brehm-Platz
auf. Allerdings hielten sich zu diesem Zeitpunkt keine Antifas dort auf, da
alle an Blockadepunkten beschäftigt waren. Lediglich der Lautsprecherwagen
des DGB und ca. 5-6 Leute waren auf dem Platz. Worch versuchte, Richtung Uhrtürmchen
zu flüchten. blieb aber mit seinem Gefolge im Verkehrsstau stecken. Als
immer mehr Gegendemonstrantlnnen auf den Platz kamen, stieg Worch und die Besatzung
des 2. PKW aus und bewaffneten sich mit Eisenstangen aus dem Kofferraum, offenbar
Teile des Dachgepäckträgers. Zu diesem Zeitpunkt kamen auch die ersten
Polizisten dazu, versuchten die NazigegnerInnen abzudrängen und die Nazis
durch den Verkehrsstau vom Platz zu lotsen. was ihnen auch gelang. Den nächsten
Versuch startete er kurz darauf in der Sonnemannstraße, mußte aber
auch hier mit quietschenden Reifen die Flucht antreten, als eine Menge von ca.
100 Antifas auf ihn zustürmte. Dabei ging auch die Scheibe eines der Faschoautos
zu Bruch. Um zu verhindern, dass es ihm an anderer Stelle gelingen könnte,
doch noch durchzukommen, wurde der Blockadepunkt Ostparkstraße aufgeteilt.
Ungefähr die Hälfte der zu dieser Zeit dort anwesenden ca. 300 Antifas
blockierte daraufhin den Zugang Habsburger Allee, die andere Hälfte versuchte,
die Blockade Ostparkstraße aufrecht zu erhalten. In der Zwischenzeit hatte
Worch Kontakt mit der Polizei aufgenommen, um zu erreichen, dass er mit ihrer
Hilfe als Anmelder auf den Danziger Platz gelangen konnte. Am Ratsweg wurde
ein Konvoi mit ca. 10 Polizei-Mannschaftswagen zusammengestellt, der dann in
Dreierreihen, mit Blaulicht und Worchs rotem VW-Golf in der Mitte auf die verbliebenen
ca. 150 Antifas zufuhr. Diese bildeten Ketten, Parolen wurden gerufen. Kurz
vor der Blockade stoppten die Fahrzeuge, ca. 50 Polizisten eines BGS-SEK stiegen
aus, behelmt, z.T. vermummt und bewaffnet mit Tonfas. Sie bildeten eine Reihe
quer über die Straße und versuchten, die Antifas von der Straße
zu drängen, bzw. eine Gasse in der Mitte der Straße zu schaffen.
Dabei kam es zu massivem Tonfaeinsatz - hauen und stechen im Genital- und Brustbereich,
und Schlagstockeinsatz mit zahlreichen Verletzungen.
Nachdem die Ketten auseinandergerissen waren, fuhren die Fahrzeuge durch die
Lücke auf den Danziger Platz, eskortiert von den BGS-SEK'lern. Worchs Auto
wurde mit Steinen bewerten und mit Leuchtspur beschossen, er kam allerdings
ungeschoren auf dem Platz an. Ein Durchbruch unsererseits in Richtung Danziger
Platz war aufgrund der Kräfteverhältnisse nicht möglich. Statt
dessen rückten weitere SEK-Einheiten vom Ratsweg her an und versuchten
den Rückweg abzuschneiden. Den meisten gelang die Flucht über die
Schönemannsteige zum Röderbergweg bzw. in den Ostpark. Mindestens
20 Antifas wurden verhaftet, z.T. nach der Verhaftung mißhandelt, wie
ein inzwischen aufgetauchter Videofilm belegt. Im Anschluß daran gab es
noch Bullenhatz, im Bereich Röderbergweg bis hoch zur Wittelsbacher - Greiftrupps
machten Jagd auf Flüchtende von der Ostparkstraße
Worch, doch noch als Anmelder auf dem Kundgebungsplatz angekommen, konnte die
Veranstaltung eröffnen, die Nazis warteten noch auf ca. 20 Kameraden die
mit der Bahn aus Maintal kamen um danach mit der Demonstration zu beginnen.
Allerdings nicht die geplante Route,
sondern eine verkürzte Strecke, da die 40 Antifas an der Ostbahnhofstraße
(s.o.) immer noch blockierten. Am Blockadepunkt Waldschmidtstraße wurde
noch mal versucht, durch die Polizeisperre Richtung Nazis zu gelangen, aber
ohne Erfolg. Mehrere Antifas warteten im Zoo den Beginn des Umzuges ab, versuchten
dann durch die Drehtüren auf die Rhönstraße bzw. die Straße
am Tiergarten zu gelangen, wurden allerdings von Bullen bemerkt und daran gehindert.
Das klägliche Häufchen von höchstens 50 Nazis konnte also fast ungestört im strömenden Regen, mit Worch an der Spitze, von einem Anwohner mit Eiern bewerten, einmal um den Block laufen. Nachdem die Nazis wieder auf dem Danziger Platz angekommen waren. lösten sich nach und nach die Blockadepunkte auf. Alle waren total durchnäßt und müde, viele waren seit 9 Stunden unterwegs. Bei einer improvisierten Abschlusskundgebung lobte DGB-Chef Fiedler die tolle Zusammenarbeit mit der Polizei. Die Leute, welche die Aktion in der Ostparkstraße miterlebt hatten bzw. davon wußten, trauten ihren Ohren nicht - aber Mensch ist ja von Fiedler einiges gewohnt. Einzig Christoph Stoodt kritisierte sowohl das Vorgehen der Polizei vor allem an der Ostparkstraße als auch die Einschüchterungsversuche bei Radio X. dem nachmittags 5000,- Euro Zwangsgeld angedroht wurde, sollte es die Berichterstattung über die Antifa-Aktionen fortsetzen. Eine Spontandemo mit ca. 300 Leuten von den Blockadepunkten Waldschmidtstraße und Habshurger Allee erreichte den Alfred-Brehm-Platz erst, nachdem sich die DGB-Abschlußkundgebung schon aufgelöst hatte.
An der Hauptwache kam es im Anschluß noch zu Auseinandersetzungen zwischen
Antifas und Nazis.
Für die verdammt kurze Mobilisierungszeit von gerade einmal 2 Tagen, bei
Dauerregen und kurz. nach dem streßigen 1. Mai sind weit über 1000
Leute an den verschiedenen Blockadepunkten durchaus als Erfolg zu werten. (ich
weiß, 5000 wäre besser.. das nächste mal"). Von Vorteil
für uns war sicherlich auch, dass wir auf Erfahrungen vom April 2001 zurückgreifen
konnten. Nicht selten war auch eine erfreulich große Flexibilität
und verantwortliche Eigeninitiative auch von vielen "Unorganisierten"
festzustellen. Sehr zu empfehlen für ähnliche Aktionen in Zukunft
ist die Aktionsform "Fahrradfahren gegen Nazis".
Ohne Bullenhilfe hätte es Worch wahrscheinlich nicht geschafft, auf den Danziger Platz zu kommen. Somit hätte die Veranstaltung nicht stattfinden können. Diesmal ist klar:
Die Bullen haben keinen Naziaufmarsch verhindert, sondern massiv
dazu beigetragen, dass dieser möglich wurde.
Diese Tatsache versuchten sie allerdings lange Zeit zu vertuschen. Nachdem die
Version, Worch wäre ohne Polizeihilfe zum Platz gekommen, nicht mehr länger
aufrecht zu erhalten war, schwenkten sie um. Version zwei war dann. er wäre
ohne Schlagstockeinsatz. und "ohne anzuhalten"?? zum Ort der Kundgebung
gelangt.
Um dies zu belegen, luden sie 3 Tage später Journalisten der BILD und der Frankfurter Rundschau in das Polizeipräsidium ein. Ihnen wurde ein Videofilm vorgeführt, der belegen sollte, dass es keinen Schlagstockeinsatz gab. DieAufnahmen zeigen die vorrückende Polizeikette von hinten, klassischer Schlagstockeinsatz ist darauf nicht zu erkennen. Allerdings typische Arm-Bewegungen, die auf den Einsatz von Tonlas schließen lassen. Es ist davon auszugehen, dass an diesem Tag auch nur Ausschnitte dieses Films gezeigt wurden, welche die Polizeiversion stützen. Denn inzwischen ist ein Videoband aufgetaucht, auf dem nicht nur eindeutig Schlagstockeensatz (Tonfas) zu sehen ist. sondern darüber hinaus auch noch massive Mißhandlungen von am Boden liegenden gefangenen AntifaschistInnen zu erkennen sind. Auch kann inzwischen davon ausgegangen werden, dass der vermeintliche Polizeividdeo ein von einem Gegendemostranten gefertigtes Band ist, welches nach der Aktion an der Ostparkstraße beschlagnahmt wurde. Damit ist belegt, dass der leitende Polizeidirektor Glück am 6.5. dem "Ausschuß für Recht und Sicherheit" des Römerparlaments wisscntlilich eine falsche Darstellung präsentierte. Wie die ParlamentarierInncn damit umzugehen gedenken. war bis Redaktionsschluss nicht zu erfahren. Das sorgsam gepflegte Image der Polizei vom 1. Mai "als verläßlicher Partner im Kampf gegen den Neofaschismus" ist somit fürs erste zumindest angekratzt.
Wer sich auf die Polizei verlässt, der ist verlassen - alter Spruch - aber
aktueller denn je.
Bemerkenswert auch die Presse nach dem 4. Mai. Ausgerechnet eine BILD-Journalistin
titelte
"Nazi Demo Warum half die Polizei dem Anführer" und bekam prompt
Ärger.
Nachdem die IG Metall kurz nach den Vorfällen in der Ostparkstraße
eine Presseerklärung veröffentlichte, meldete sich ein Anrufer von
der Polizei der sich über die Darstellung beschwerte und eine objektivere
Darstellung forderte. Dieser Einschüchterungsversuch wurde von dem Betroffenen
zurückgewiesen.
Zum Schluß: Da es bei solchen dezentralen Aktionen für die meisten Menschen unmöglich ist, sich einen Gesamtüberblick über das Geschehene zu verschaffen, ist es hilfreich, Erlebnisberichte zu schreiben (ist auch nach dem 1. Mai mehrfach gemacht worden - prima') und zu veröffentlichen. Z.B. im Netz oder auch hier in der Swing. Auch für die Einschätzung der Ereignisse ist es wichtig, Erfahrungen zumindest auszutauschen, besser noch gemeinsam zu diskutieren.
PS: Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautete, dass Worch für die nächsten 7 Jahre! Veranstaltungen jeweils am 1. Mai in Frankfurt/M. angemeldet hat.
Na denn - es gibt viel zu tun...