Klar, es gibt riesige Unterschiede zwischen einer Demo und einer Demo. Oft sagen wir uns, dass bei der Demo sowieso nix passiert und haben auch noch recht damit. Dennoch sollten einige Grundregeln auch auf einer (z.B.) 1. Mai-Demonstration beherzigt werden, weil auch eine solche schon Objekt polizeilicher Aktionen geworden ist.
Versuche, niemals allein zu Demonstrationen gehen zu müssen. Es ist nicht nur lustiger, mit Menschen unterwegs zu sein, die du kennst und denen du vertraust, sondern auch nützlich. Zum einen wird es für Zivilbullen und Provokateure des Verfassungsschutzes ungleich schwerer, sich unter die Demo-TeilnehmerInnen zu mischen. Zum anderen ist es leichter, z.B. wenn die Bullen an einer Stelle auf Leute einknüppeln, ruhig zu bleiben und nicht auseinander zu laufen. Profimäßig ist, zusammen zur Demo hinzugehen, auf der Demo und auf dem Nachhauseweg zusammen zu bleiben, sich vorher über mögliche Situationen, die eintreten könnten zu unterhalten, ehrlich zu gucken, wer wann Angst hat (der Macker-Test), und dementsprechend Absprachen für gemeinsames Verhalten zu treffen.
Sei so fit, wie's halt geht; d.h. frühstücke gut, Shit und jeglicher Alkohol bleiben zu Hause; sie beeinträchtigen dein Reaktions- und Wahrnehmungsvermögen. Du gefährdest dich und andere unnötig.
Eine Demo ist kein Spaziergang, auch wenn's oft so aussieht. Nicht nur, dass die Latscherei ganz schön lange dauern kann, nein, manchmal ist es auch erforderlich, schnell und beweglich zu sein. Deshalb keine Latschen und Stöckelschuhe, kein Wochenendeinkauf, kein Fahrrad und kein Bollerwagen. Klamotten, ausnahmsweise nach praktischen Erwägungen zusammenstellen: Witterung, Beweglichkeit, Unauffälligkeit und Schutz von besonders empfänglichen Körperteilen! Viele tragen schwarze Klamotten um nicht erkannt zu werden. Keine Schminke, keine Cremes, kein Labello - da sich beim Tränengaseinsatz das CN/CS in Fetten besonders anreichert! Tausche deine Kontaktlinsen gegen eine bruchfeste Brille! Sorge dafür, dass du Medikamente, die du regelmäßig einnehmen musst, in ausreichender Menge dabei hast. Es ist nicht gesagt, dass die Bullen bei Festnahme oder Einkesselung der Demo sich um deine medizinische Versorgung kümmern. Denke daran, dass es in bestimmten Situationen sinnvoll sein kann, nicht erkannt zu werden. Basecap und Sonnenbrille reichen oft nicht aus, Tuch oder Sturmhaube bringen mehr. Für später kann es ebenfalls sinnvoll sein, andere, bunte Klamotten zum wechseln dabei zu haben, damit du nicht an deiner schwarzen Sportjacke erkannt wirst.
Lass Dein Adressbuch, Notizbuch und andere persönliche Aufzeichnungen zu Hause und lass am besten auch das Handy zuhause oder lösche zumindest vorher den Adressspeicher. Bei einer Festnahme schalte das Handy wenn möglich aus und zerstöre die SIM-Karte. Nehme lediglich (leeren) Zettel, Bleistift und gültigen Personalausweis mit. Muss der ganze andere Kram wirklich mit auf die Demo?
Mensch weiß nie, was kommt. Deshalb bleib bei den Leuten, die du kennst. Es kann auch nie schaden, sich unterzuhaken und in Ketten zu gehen. Nicht nur, dass die Stimmung gleich viel besser wird und sich Sprechchöre viel besser koordinieren lassen, nein, sollten die Ordnungswüter, Zivile oder andere Wildgewordene in den Demo-Zug einzudringen versuchen, bieten die Ketten einen verlässlichen Schutz. Deshalb achte darauf, dass zwischen den Ketten keine Lücken entstehen, und fordere Leute, die zwischen den Ketten rumlaufen, auf, sich einzureihen oder woanders zu gehen.
Bei vielen Demonstrationen wird von den VeranstalterInnen ein Ermittlungsausschuss (EA) eingerichtet, in einigen Städten gibt es auch feste EA-Gruppen. Dieser ist während und nach der Demo telephonisch zu erreichen, seine Nr. wird entweder über Lautsprecherdurchsagen oder per Handzettel bekannt gegeben. Hier werden die Namen von Verletzten und Verhafteten gesammelt und sich um AnwältInnen für letztere bemüht. Wenn jemand nach seiner Verhaftung wieder freigelassen wird, meldet er sich beim EA und liefert dort auch ein Gedächtnisprotokoll über seine/ihre Verhaftung ab. Auch Zeugen von Polizeiübergriffen/Festnahmen melden sich dort, damit sie ggf. bei Ermittlungsverfahren von den Betroffenen und deren AnwältInnen erreichbar sind.
Nicht in Panik geraten. Tief Luft holen, stehen bleiben und auch die anderen dazu auffordern. Spätestens jetzt heißt es, schnell Ketten zu bilden und wenn's gar nicht anders geht, sich langsam und geschlossen zurückzuziehen. Oftmals können Übergriffe der Freunde und Helfer allein durch das geordnete Kettenbilden und Stehenbleiben abgewehrt, das Spalten der Demo, Festnahmen und das Liegenbleiben von Verletzten verhindert werden.
Bist du oder jemand in deiner Umgebung verletzt worden, wende dich an die gekennzeichneten Demo-SanitäterInnen (so welche da sind, wird zumeist am Beginn der Demonstration auf diese erfreuliche Tatsache hingewiesen). Sind keine Demo-Sanis auffindbar, organisiere mit Freunden und Freundinnen den Abtransport von Verletzten. Wenn ihr ein Krankenhaus aufsuchen wollt/müsst, versucht eins zu erwischen, das etwas entfernt ist und mit der Demo nicht in Verbindung gebracht wird. Bei der Aufnahme kannst du ruhig erzählen, wie's war, als du nämlich auf der Bananenschale ausrutschtest und die Kellertreppen runterfielst ... Schon öfters haben Krankenhäuser die Namen von verletzten Demonstranten an die Cops weitergegeben, das führte zu 'ner Menge zusätzlicher Scherereien.
Schlau ist, sich nicht alleine auf den Nachhauseweg zu machen. Auch am Ende oder nach der Demo versucht die Polizei oft einzelne festzunehmen. Deshalb geschlossen weg gehen und darauf achten, ob Mensch verfolgt wird. Falls es auf der Demo Zoff gab, melde dich bei Freundinnen und Freunden zurück, die wussten, dass du auf der Demo warst, damit du nicht als vermisst giltst!
Wenn du Zeuge oder Betroffene von Polizeiübergriffen, Festnahmen u.ä. wurdest, fertige ein Gedächtnisprotokoll an und melde dich beim EA. Ins Gedächtnisprotokoll sollten rein:
Wirst du selbst festgenommen, mache auf dich aufmerksam (Fluchen!) und rufe deinen Namen, damit sich die Umstehenden diesen merken (ach dafür, Zettel und Bleistift!) und an den Ermittlungsausschuss (EA) weitergeben können. Wieder zu Hause notiere dir die Umstände der Festnahme, ggf. Zeugen, am besten ein richtiges Gedächtnisprotokoll. Dieses sollte der Ermittlungsausschuss bekommen, so es einen gibt, andernfalls erstmal aufbewahren. Oftmals erfahren die Betroffenen erst Monate später davon, dass ein Ermittlungsverfahren gegen sie läuft, dann ist so ein Protokoll Gold wert.
Beim Abtransport
Auf der Fahrt zu Gefangenensammelplätzen oder Revieren sprich ggf. mit
den anderen Festgenommenen über eure Rechte, aber mit keinem Wort über
das, was ihr oder du gemacht habt/hast. Das wäre nun wirklich nicht das
erste Mal, wenn da ein Spitzel unter euch ist, auch wenn du ein gutes Gefühl
zu allen hast. Achte auf andere und zeige dich verantwortlich, wenn sie mit
der Situation (Festnahme und so) noch schlechter klar kommen als du, das beruhigt
auch dich, redet darüber, dass es Sinn macht, von jetzt ab konsequent die
Schnauze zu halten. Tausche mit deinen Mitgefangenen Namen und Adressen aus,
damit die/der zuerst Freigelassene den Ermittlungsausschuss informieren kann.
Bei der Identitätsfeststellung bist du nur verpflichtet, Angaben zu deiner Person zu machen, d.h.: Name, Adresse, Geburtsdatum und ungefähre Berufsangabe (Arbeiterin, Angestellter, Studentin, Erwerbsloser). Kein Wort mehr! Nichts über Eltern, Schule, Firma, Wetter, einfach: Gar nix!
Keine Angaben zur Sache. Falle nicht auf Psychokisten rein, weder auf die guten Onkels und Tanten, die ja volles Verständnis für dein Anliegen haben, noch auf die Brutalo-Bullen, die dir gleich die Fresse polieren wollen. Behalte die Übersicht und deinen Kopf unter Kontrolle. All die feinen taktischen Schachzüge, die dir durch den Kopf gehen, wie du die Bullen reinlegen oder dich aus dem Schlamassel bringen könntest - vergiss sie! Jede Situation ist günstiger, um sich was Schlaues zu überlegen, als die, wenn du bei den Bullen sitzt, und alles - wirklich alles - ist auch nach Absprache mit deinen GenossInnen und dem/der AnwältIn möglich, auch wenn die Bullen dir erzählen, dass es zu deinem Vorteil gereiche, wenn du ihnen gegenüber Aussagen machen würdest.
Wenn du meinst, dir würden Sachen vorgehalten, mit denen du gar nix zu tun hast - halt bitte trotzdem die Klappe. Denn was dich entlastet, kann jemand anderen belasten, wenn von zwei Verdächtigen einer ein Alibi hat, bleibt immer noch einer über! Wenn du meinst, du steckst schon so tief im Schlamassel, dass du lieber alles zugeben willst, damit du nicht so hart verknackt wirst, shut up your mouth! Erst nachdem dein(e) AnwältIn Akteneinsicht hatte und ihr euch beraten habt, lässt sich eine gute Strategie festlegen. Wenn du erst mal gequatscht hast, nützt dir auch der/die beste AnwältIn kaum noch was. Außerdem reißt du womöglich unbeabsichtigt andere Leute mit rein. Und ein Argument für ganz Störrische: Ein Geständnis vorm Richtertisch zahlt sich immer mehr aus als bei den Bullen, wenn's denn schon sein muss!
Nach der Festnahme hast du das Recht, zwei Telephongespräche zu führen. Nehme also 2 mal abgezählte 6 Cent mit. 50 Cent können die Bullen leider nicht wechseln und annehmen dürfen sie leider auch nicht, weil das ist dann Beamtenbestechung ... Wenn PolizistInnen dir dieses Recht verweigern, nerv' sie, besteh' darauf und droh' mit einer Anzeige. Bei Verletzungen einen Arzt verlangen, der ein Attest anfertigt. Nach der Freilassung einen weiteren Arzt aufsuchen, der ebenfalls Verletzungen attestiert. Bei beschädigten Sachen schriftliche Bestätigung verlangen. Bei ED- (erkennungsdienstlicher) Behandlung (Fotos/Fingerabdrücke) lege sofort Widerspruch ein und lasse diesen protokollieren.
Zur Identitätsfeststellung
Wenn du keinen Ausweis dabei hast, höchstens zwölf Stunden.
Sofort nach der Identitätsfeststellung und der verweigerten Aussage (auch als Zeuge bei den Bullen dein gutes Recht!) musst du entlassen werden.
Nach 48 Stunden, besser, bis Mitternacht des darauffolgenden Tages musst du entweder freigelassen worden sein oder einem Haftrichter vorgeführt werden.
Auch hier nur Angaben zur Person machen. Falls noch nicht geschehen, unbedingt weiterhin Kontaktaufnahme zu deinem/r AnwältIn oder deinen FreundInnen fordern. Wird Haftbefehl erlassen, lass die Beauftragung deines/r AnwältIn bzw. die Benachrichtigung von namentlich genannten anderen Personen protokollieren.
Melde dich unbedingt beim EA wieder an und bei deinem/r AnwältIn und dann kannst du dich hoffentlich verwöhnen lassen und relaxen. Nimmst du diese Verhaltensregeln in Kopf und Bauch auf, bist du gut gerüstet, um gegen die Staatswillkür die Nerven zu behalten.