Nachträgliche Erklärung des Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein-Main zum Austritt aus dem „Bündnis 14. Januar“

Als im Dezember letzten Jahres zum ersten Vorbereitungstreffen für die Demonstration am 14. Januar 2009 eingeladen wurde, begrüßten wir vom Aktionsbündnis das Ziel des „Bündnisses 14.1.“, Akteure aus verschiedenen Politikfeldern zusammenzubringen und sie im Vorfeld der Hessischen Landtagswahlen auf einer Demo „gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen“1.

Der Verlauf der Demonstration am 14.1.09 mit der Unterbrechung des NoNato- Redebeitrags wurde diesem Anspruch aber aus unserer Sicht nicht gerecht. Die Unterbrechung der Rede halten wir für eine unangemessene Methode, eine innerlinke Auseinandersetzung über den Nahostkonflikt mit Redeverboten reglementieren zu wollen, statt sich auf eine inhaltliche Diskussion zu dem Thema einzulassen.

Uns ist bewusst, dass die Rede-Unterbrechung nicht aus dem Kontext des zuvor geführten Streits um die Thematisierung des Gaza-Kriegs auf der Demonstration gerissen werden kann. So gehörte auch das Aktionsbündnis zu den Gruppen, die sich auf dem letzten Vorbereitungstreffen vor dem 14. Januar – vor dem Hintergrund des ansonsten zerbrechenden Bündnisprozesses – für den sogenannten „Minimalkonsens“ zum Krieg im Nahen Osten ausgesprochen haben. Es ist aber im Nachhinein kritisch festzuhalten, dass an diesem Abend vom Vorbereitungsbündnis nur unzureichend geklärt wurde, welche inhaltlichen Spielräume die einzelnen Gruppenbeiträge neben der gemeinsamen Erklärung zum Krieg im Nahen Osten behalten würden. Die zu dieser Frage zuletzt im Plenum geäußerten Einschätzungen waren durchaus widersprüchlich. Und im Aktionsbündnis gegen Abschiebungen haben wir den „Minimalkonsens“ dahingehend interpretiert, dass der Beitrag aus dem NoNato- Spektrum durchaus eine eindeutige Kritik und Positionierung gegen den Krieg der israelischen Regierung beinhalten kann, dass aber darüberhinaus gehende Polarisierungen vermieden werden sollen.

Diesbezügliche Debatten innerhalb des Aktionsbündnis gegen Abschiebungen hatten ebenfalls recht unterschiedliche Positionierungen ergeben, ein entsprechender Kompromiss findet sich in den folgenden Zeilen: „Der Gaza-Krieg ist der jüngste Höhepunkt im sogenannten Nahostkonflikt, dessen maßgeblicher Hintergrund in der israelischen Besatzungs- und Kolonisierungspolitik gegenüber der palästinensischen Bevölkerung liegt. In diesem Krieg benutzt Israel zum wiederholten Male seine militärische Überlegenheit dazu, palästinensische Gegner seiner Politik, in diesem Fall die national-islamistische Hamas, gewaltsam auszuschalten. Zahllose schreckliche Opfer unter der Zivilbevölkerung werden dabei bewusst in Kauf genommen. Nichtsdestotrotz ist die Politik der Hamas kein gangbarer Weg zum Frieden im Nahen Osten und der Raketenbeschuss Israels ist völlig inakzeptabel“.

Vor diesem Hintergrund wird schon deutlich, dass wir die Aussage des Sprechers aus dem NoNato-Spektrum, dass „der Krieg in Gaza seinen Ursprung in der Besatzungs- und Vertreibungspolitik des Staates Israel“2 habe, zunächst eher teilen als widersprechen würden. Weil wir wissen, dass andere Gruppen im 14.1.-Bündnis das anders sehen, hätten wir sehr wohl verstanden, wenn es zum NoNato-Redebeitrag im Nachhinein inhaltlichen Klärungsbedarf gegeben hätte. Aber es handelt sich in unseren Augen auf keinen Fall um eine Argumentation, die es legitimierte, jemandem das Rederecht zu entziehen – auch nicht auf Grundlage des verabschiedeten Minimalkonsens.

Einer solchen Positionierung mit Redeverbot zu begegnen, betrachten wir vielmehr als auffälligen Mangel an Streit- und Diskussionskultur eines politischen Bündnisses.

Politische Bündnisarbeit bedeutet für uns die Suche nach Gemeinsamkeiten unter gleichzeitiger Anerkennung erheblicher Differenzen. Wenn eine gemeinsame Konsenserklärung aber dazu benutzt wird, die inhaltlichen Unterschiede zwischen Bündnispartnern zu negieren, dann hat dies für uns nichts mehr damit zu tun, verschiedene Teilbereichsbewegungen gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen.

Die gemeinsame Bündnisperspektive wird damit in Frage gestellt.

Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein-Main, März 2009

Fußnoten:

1 Siehe Papier des Orga-Teams vom 9. Januar 2009.
2 Zitiert aus dem am 16. Januar über die Rhein-Main-Liste gesandten NoNato-Manuskript.

Bericht von der gesamten Demo

Stellungnahme eines Genossen aus der Demoleitung zur Mißachtung des Demokompromisses durch den Redner von Die Linke.SDS
Stellungnahme der autonomen antifa [f]
Stellungnahme des Palästina-Blocks

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