Die hessische Polizei hat am letzten Mittwoch um ca. 4.00 Uhr mit zwei Hundertschaften das Studierendenhaus auf dem Campus Bockenheim gestürmt.
Nachdem die Studierenden, die eine friedliche After- Demo- Party feierten, den Ansturm der Polizeibeamten bemerkten, verbarrikadierten sie die Türen des Hauses mit Gegenständen. Der Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses nahm Kontakt zum Einsatzleiter auf, um die Situation zu beruhigen und nicht zur Eskalationen kommen zu lassen. Angeblich wollte die Polizei die Personalien von Teilnehmer aufnehmen, weil aus dessen Kreis einige vermummte Personen Müllcontainer auf dem Campus angezündet haben sollten.
Obwohl der AStA-Vorsitzende in Kontakt mit den
Teilnehmern stand und dem Polizeieinsatzleiter die
Bereitschaft der Studierenden signalisierte, das
Studierendenhaus friedlich zu räumen und ihre
Personalien anzugeben, stürmte die Polizei. Dabei
wurden alle Anwesenden wahllos festgenommen. Die
Auseinandersetzungen im Vorfeld waren offensichtlich
von der Polizei vorgeschoben. Die Aktion diente also lediglich dazu die Studierenden einzuschüchtern.
Hierdurch sollten diese daran gehindert werden, weiter
zu an Demonstrationen teilzunehmen.
Dieser Polizeiüberfall ist krass, aber kein
Einzelfall. Vielmehr steht er beispielhaft für eine
autoritäre Entwicklung der Gesellschaft, in der
soziale Konflikte zunehmend als polizeiliche Probleme
wahrgenommen und kriminalisiert werden.
Besonders deutlich zeigt sich das auch bei der
aktuellen Fußballweltmeisterschaft.
Mit der geht nicht nur eine Welle nationalistischen
Mülls einher, sondern es ist auch ein besonderer
Anlass gegeben, die innere Aufrüstung voran zu
treiben.
Wo gegen den Abbau der sozialen Rechte und der damit
verbundenen Ideologie vom Recht des Stärkeren noch
eine mehr oder weniger starke Opposition wahrnehmbar
ist, geht hingegen die Umsetzung der zweiten Seite der
Medaille des Standorts Deutschland fast unbemerkt vor
sich:
Egal ob der Ausweitung der Kameraüberwachungen, private Sicherheitsdienste, massive Einschränkung von demokratischen Bürger- und Grundrechten, die Einrichtung von sogenannten Bürgerpolizeien, großangelegte Razzien gegen MigrantInnen, Repression gegen Fussballfans, Kontrolle von Sozialhilfeempfängern, der Ausbau der polizeilichen Befugnisse, jagt auf Grafitti-Sprayer, etc. pp. ... all dies wird weitgehend kommentarlos hingenommen.
Für das „Großereignis“ soll ein polizeilich abgesicherter Ausnahmezustand entstehen. Nichts soll schief gehen, wenn sich das „moderne“ Deutschland der Welt präsentiert. Dabei ist jedoch deutlich, um wessen Sicherheit es eigentlich geht: Um die der kapitalistischen Verwertung. Und selbstverständlich werden die Kameras und der ganze Rest nach dem Event nicht wieder abgebaut. Überwachungsgesellschaft und Polizeistaat geben schließlich kaum freiwillig gewonnene Kompetenzen zurück.
Abgesehen von einigen Bürgerrechtlern und Verfassungssrichtern ist dagegen jedoch selten überhaupt Protest wahrnehmbar. Doch sind die Auswirkungen dieser Entwicklung nicht zu unterschätzen: Einerseits werden die, sich verschärfenden sozialen Konflikte – den „Sachzwängen“ des nationalen Standortes entsprechend – nur noch als polizeiliche Probleme wahrgenommen und kriminalisiert.
Die wachsende Masse der, für den Standort, überflüssigen Menschen muss schließlich kontrolliert werden. Zumindest jene, die sich vom nationalistischen Müll à la „Du bist Deutschland..:“ nicht vor den Karren des Standortes Deutschland spannen lassen. Andererseits verstärkt diese Entwicklung auch das, in diesem Land ohnehin bestehende autoritäre Bild von Mensch und Gesellschaft, in dem Abweichungen von der Norm tendenziell als Problem gelten - das bemerkte sogar die, einer linksradikalen Position sicherlich unverdächtige, Bundesverfassungsrichterin Hohmann-Dennhardt, die letztes Jahr in ihrer Entscheidung zum Großen Lauschangriff erklärte: „Es geht nicht mehr darum, den Anfängen, sondern dem bitteren Ende zu wehren, an dem das, durch solch eine Entwicklung erzeugte Menschenbild einer „freiheitlichen Demokratie“ nicht mehr entspricht“.
Unter der „bunten und fröhlichen“ Oberfläche soll alles streng nach den Maximen von unbedingter Sauberkeit und Ordnung laufen. Kein Zufall ist es dementsprechend auch, dass z.B. der ehemalige Arbeitminister Clement (SPD) eine Broschüre herausgeben ließ, in der sogenannte „Abzocker“ und arbeitsunwillige „Hartz IV-Betrüger“ in faschistoider Art mit „Parasiten“ verglichen werden. Hier zeigt sich deutlich, wie die ach so moderne „neue Mitte“ im Zuge der Politik für den nationalen Standort Positionen der extremen Rechten integriert.
Doch lässt sich der Ausbau von Polizeistaat und Überwachungsgesellschaft nicht allein aus der ökonomischen Entwicklung und der sich daraus
ergebenden kapitalistischen Notwendigkeit zur
repressiven Aufrechterhaltung der Geschäftssicherheit
ableiten: Schließlich geht es – parallel zur sinkenden
Gestaltungsfähigkeit des Staates in Bezug auf die
Kontrolle über polit-ökonomische Prozesse – auch
darum, noch einen Rest Handlungsfähigkeit zu
suggerieren. Trotz sinkender Kriminalitätszahlen wird
also versucht, gerade auf diesem Feld mit der Inneren
Aufrüstung Handlungskompetenz zu beweisen, die auf
vielen anderem Gebieten nach dem postulierten „Ende
der Geschichte“ abgeht.
Am Ende der angeblichen „Deregulierung“ für den
Standort Deutschland jedenfalls, sind die Menschen
noch verwalteter, überwachter und kontrollierter als
bereits zu vor schon. Der Widerstand dagegen ist also
nicht zuletzt schon aus logischen Gründe eine Frage
der intellektuellen Selbstverteidigung.
Dieser darf sich jedoch nicht auf Abwehr der schlimmsten Verschärfungen beschränken. Vielmehr muss grundlegend das Konzept der polizeilichen Regelung gesellschaftlicher Konflikte in Frage gestellt werden. Zumal durch diese sogenannten Sicherheitspolitik die Formierung der Gesellschaft zum nationalen Standort nur befördert wird. Erst durch die imaginierte ständige Bedrohung durch der Gesellschaft äußere Feinde lässt sich schließlich jene nationale Wagenburg-Mentalität befördern, die die menschlichen "Objekte der Staatsgewalt" gerne dazu bringt, ihre Interessen hinter ein sogenanntes „nationales Gemeinwohl“ zurück zustellen. Das ist nicht zuletzt für die Handlungsfähigkeit der radikalen Linken von großer Bedeutung.
Für die Akteure des Standort Deutschland ist die WM ist nur ein weiterer Anlass, um autoritär gegen unliebsame Minderheiten vorzugehen. Für die radikale Linke ist die WM allerdings auch ein guter Anlass um sich der Law and Order-Politik zu widersetzen und gegen das Image des Standortes Deutschland deutlich zu machen, dass die Welt in diesem Land keineswegs zu Gast bei Freunden ist.
In diesem Sinne:
Die innere Sicherheit durchbrechen – Kein Frieden mit
Deutschland !