Der Förderverein Roma und der Rom e. V. Köln protestieren gegen den vom hessischen Rundfunk produzierten Film „Auf Einbruchstour – Frankfurts junge Diebe“, der am 21.3.07 in der ARD, in der Reihe „ARD exclusiv“, gesendet wurde.
Auch ohne genaue Nennung weiß der Zuschauer direkt, wer gemeint ist. Die geschickte Inszenierung der Journalistinnen Kujas und Scheuring macht keinen Hehl aus der Zielgruppe. Wenn die Kripobeamten Hauke und Schmehl der AG „Domus“ erzählen, bleibt viel Platz für eindeutige Zuschreibungen. „Lange bunte Gewänder“ sind nicht mehr in, stattdessen kleiden sich die Mitglieder der „Kinderbande“ „normal“. Während einer Personenkontrolle werden Mädchen als „richtige Gängster“ tituliert und die Beamten stellen in forschem Ton fest, dass sie auch anders können. Begriffe und Behauptungen wie „Serienstraftäter“, „Wohnwagenlager“, „Großfamilien“, die „Kinder austauschen“ und „organisierten Kindesmissbrauch betreiben“ ergänzen Stellungnahmen wie, „kein Unrechtsbewusstsein“, das „von Generation zu Generation“ weiter getragen wird und Eltern, die sich um nichts kümmern und sich über die Beute freuen: das perfektes Profil für die allgegenwärtige Verurteilung. Die Absicht ist, die Betroffenen aus Frankfurt zu „vergraulen“ und eine Datei der Arbeitsgruppe Domus, mit über 80 Bildern von Roma-Mädchen, einige werden in ruhiger Sequenz großformatig gezeigt, hilft dabei. Rassismus wird weit von sich gewiesen, es gehe nur um eine gewisse Tätergruppierung, die in einem speziellen Stadtteil „sesshaft“ geworden wäre und auf ihrem Weg von Frankreich nach Frankfurt alle Ortschaften „mitnähmen“. Roma und Sinti werden unter Generalverdacht gestellt und die diskriminierende Vorgehensweise als Statistik kaschiert. Konstruierte Fürsorge und geheucheltes Mitleid bleibt nicht aus, wenn die Rede „von unseren kleinen Mädchen“ ist, obwohl Kinder- und Persönlichkeitsrechte der Reihe nach mit Füßen getreten werden und auf althergebrachte Weise - in neuem Kleid - Stimmung durch Generalisierung, Stigmatisierung und einschlägige Darstellung gemacht wird.
Es bedarf nur einiger weniger Andeutungen, um das Ressentiments, den Hass oder die rassistische Haltung gegenüber Roma und Sinti zu aktivieren. Der Film bedient diese Einstellungen perfekt. Allein die Ankündigungen in den Fernsehzeitschriften sind unverhohlener. Dort spricht man im Zusammenhang von „organisierten Banden“ von Sinti und Roma bzw. MEM (mobile ethische Minderheit). Im Ergebnis sind sich die Gazetten, die Filmemacherinnen, die verantwortliche Redakteurin und die Intendanz des Hessischen Rundfunks allerdings einig.
Seit Jahren treten die Verbände der Roma und Sinti gegen diskriminierende Darstellungen, Formulierungen und gegen die damit verbundene verhängnisvolle Vorurteilsbildung ein. Der Film lässt sich ebenso wie die öffentlich rechtlich Verantwortlichen und die Kriminalbeamten hiervon nicht beeindrucken. Sensibilität und Differenzierungsvermögen bleiben auf der Strecke. Stattdessen werden die bekannten Klischees und rassistischen Bilder kolportiert und deren Konsequenzen gegenüber Roma und Sinti billigend in Kauf genommen. Offensichtlich arbeitet die Frankfurter Kripo wieder mit „Zigeuner-Dateien“ und wird in ihrem Vorgehen nicht etwa kritisiert, sondern medienwirksam vom Fernsehen unterstützt.
Der Förderverein Roma Frankfurt am Main und der Rom e. V. Köln sind entsetzt über den Verfall journalistischer Sorgfalt und Sensibilität im hessischen Rundfunk. Einzelne Delikte und Personen dienen zur Negativbeschreibung einer ganzen Gruppe. Mit Absicht bleibt unerwähnt, dass ein Eigentumsdelikt kein ethnisches, sondern soziales Problem ist und die Ursache nicht im tradierten Verhalten – wie ausdrücklich unterstellt - sondern in jahrhunderte langer Marginalisierung liegt. Bei den betroffenen Roma hat dies mit Perspektivlosigkeit, mit ungesichertem Aufenthalt, mit desolaten Wohnverhältnissen und mit dem Arbeitsverbot für Geduldete zu tun. Auswege aus diesem Teufelskreis von Ausgrenzung, Kriminalisierung und erneuter Ausgrenzung gibt es bekanntlich und wurden in anderen Beiträgen dokumentiert, nämlich dort, wo Kommunen und Roma-Organisationen sich der Menschen annehmen, wie in Köln oder Frankfurt. Es geht also auch anders, aber offenbar nicht im HR.
Der Förderverein Roma behält sich vor, rechtliche Schritte gegen die am kommenden Mittwoch erneut beabsichtigte Sendung des Films einzuleiten.
Ffm., den 26.3.07