Seit letzter Woche werden im Zusammenhang mit dem 1. Mai und dem Gleiskessel in Frankfurt Briefe verschickt, in denen die Bundespolizei Personen anbietet, ein "Verwarngeld" von 35 Euro zu zahlen, und dafür kein Bußgeldbescheid zu verhängen. Wir möchten nach den bisherigen Irritationen mit einer gemeinsamen Stellungnahme von EA Frankfurt und Roter Hilfe Frankfurt Eure momentanen Handlungsmöglichkeiten zum Umgang mit diesen Briefen zusammenfassen.
Verwarngelder werden grundsätzlich nur für geringfügige Ordnungswidrigkeiten verhängt. Der Staat „bietet“ Euch sozusagen an, das Bußgeldverfahren nicht zu eröffnen, wenn Ihr dafür einen verhältnismäßig geringen Betrag bezahlt. Wenn Ihr das Verwarngeld innerhalb der Wochenfrist zahlt, wäre der Vorwurf der Ordnungswidrigkeit erledigt.
Zahlt Ihr jetzt nicht das Verwarngeld, wird ein Bußgeldverfahren gegen Euch eröffnet. Ihr müsst dazu nicht gegen das Verwarngeld Einspruch einlegen, sondern einfach die Frist verstreichen lassen. Sobald Ihr einen Bußgeldbescheid erhaltet, solltet Ihr innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Bußgeldbescheides formlos und unbegründet Einspruch einlegen. Bei einem fristgerechten Einspruch kommt es zu einer Gerichtsverhandlung, bei der der Bußgeldbescheid überprüft wird. Erfahrungsgemäß werden in Frankfurt zwischen 75 und 150 Euro Bußgeld verhängt.
Zahlen oder nicht zahlen hat keinen Einfluss auf möglicherweise zusätzlich anhängige Strafverfahren.
35 Euro Verwarngeld sind im Vergleich zu bisherigen Sanktionen für ähnliche Blockadeaktionen in Frankfurt relativ niedrig. Das Geld zu zahlen käme zudem keinem „Schuldeingeständnis“ gleich, das zivilrechtliche Folgeprobleme nach sich ziehen könnte, und dieser Weg wäre eine recht „preiswerte“ Möglichkeit, um sich langwierige Bußgeldverfahren zu ersparen. Ihr hättet dann die Möglichkeit, Eure Energie in andere politische Arbeit zu stecken. Insofern kann Nichtzahlen auch eine politische Entscheidung sein und wird von uns nicht als entsolidarisierender Akt verstanden.
Wir haben in Frankfurt die Erfahrung gemacht, dass Bußgelder im Rahmen von Verhandlungen entweder reduziert oder die Verfahren sogar ganz eingestellt worden sind. Die Chancen für eine Einstellung schätzen wir insbesondere bei Massenverfahren, bei denen viele Menschen kollektiv Einspruch einlegen, als ziemlich hoch ein. Von Vorteil ist deshalb, wenn alle Betroffenen möglichst gemeinsam agieren und wir das Vorgehen der Repressionsbehörden gleichzeitig politisch skandalisieren.
Viele antifaschistische Gruppen in Frankfurt haben im Nachgang des 1. Mai diskutiert, dass gemeinsam die Nazis blockiert wurden und auch gemeinsam der Repression entgegengetreten werden sollte. Je mehr Leute sich auf die Verwarngelder einlassen, desto schwieriger wird es allerdings für alle anderen, die Gelder zu verweigern. Das bedeutet im Umkehrschluss: Je mehr Leute sich den Verwarngeldern verweigern, desto stärker wird ihre Position. Wir wissen momentan nicht, ob alle am 1. Mai auf den Gleisen kontrollierten Personen das "Angebot" eines Verwarngeldes bekommen haben und wollen nicht, dass am Ende Leute mit Verfahren alleine bleiben.
Egal, wie Ihr Euch in Euren Gruppen entscheidet, sind wir mit Euch solidarisch. Das bedeutet, dass wir versuchen werden, die finanziellen Folgen gemeinsam zu tragen. Die Bußgelder zu verweigern, wird aber auch von Euch verlangen, finanzielle Mittel aufzubringen und Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Alle Gruppen und Einzelpersonen müssen mit ihren politischen Zusammenhängen diskutieren, was für sie gangbare Wege sind, und welche (finanziellen) Folgen getragen werden können.
Für alle (potentiellen) Betroffenen, die die Bußgeldverfahren weiter politisch begleiten wollen, bieten wir am 9. September um 19:00 Uhr im Exzess ein Betroffenenplenum an. Dort wollen wir mit Euch diskutieren, wie wir mit den Verfahren – politisch und finanziell – weiter umgehen.
Rote Hilfe OG Frankfurt, EA Frankfurt
EA Frankfurt
12.8.2013
Frühere Stellungnahme zu den Verfahren vom 1. Mai 2013 des EA Frankfurt
1. Mai - Nazifrei! oder: Sie kamen nicht durch! antifa-frankfurt.org
(ältere) Nachrichten zu Repression und Überwachung
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