Seit Anfang Februar protestieren in Frankreich zahlreiche StudentInnen, SchülerInnen und mittlerweile auch GewerkschafterInnen gegen das von Primierminister Villepin eingebrachte Gesetz "CPE". Dieses ermöglicht den Arbeitgebern Jugendliche unter 26 Jahren während einer Probezeit von 2 Jahren ohne Angabe von Gründen fristlos zu entlassen.
Beschränkten sich die Streiks durch den sehr spezifischen Forderungskatalog zu Anfang nur auf die Hochschulen, so ermöglichte dessen Erweiterung sehr schnell die Mobilisierung von SchülerInnen, GewerkschafterInnen und anderen Jugendverbänden.
Neben der primären Forderung nach der Abschaffung des CPE, umfasst dieser unter anderem die Abschaffung des CNE ( einem ähnlichen Gesetz für über 26-Jährige), die Abschaffung des "Gesetzes für Chancengleichheit", dass die Bestrafung von Familien von straffällig gewordenen Jugendlichen, durch Entzug von Sozialleistungen, vorsieht, sowie die Freilassung der bei den Riots im November 2005 festgenommenen Jugendlichen.
Mittlerweile sind über 70 Hochschulen und 800 Schulen besetzt, letztes Wochenende waren über 1,5 Mio Menschen auf der Straße, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen, immer wieder kommt es zu "spontanen" Demonstrationen, mit bis zu 10 000 TeilnehmerInnen. Die Polizei verhält sich bei den Räumungen der Hochschulen und dem Auflösen der Demonstrationen unverhältnismäßig aggressiv und brutal. So wurde vergangenen Samstag während einer Demonstration in Paris, der 39-jährige Aktivist der linksalternativen Basisgewerkschaft SUD, Cyril Ferez, von Einsatzkräften der Spezialeinheit CRS dermaßen schwer verletzt, dass er noch immer im Koma liegt. Außerdem starb diese Woche ein Student in Straßbourg während der Besetzung der hiesigen Uni an Herzversagen.
Offensichtlich richtet sich der Protest nicht nur gegen die Lockerung des Kündigungsschutzes, sondern auch gegen die sich immer weiter verschärfende Zurichtung der Menschen für die Bedürfnisse des Marktes. Dementsprechend sollen die Wettbewerbschancen des nationalen Kapitals dadurch gestärkt werden, dass immer mehr Menschen gezwungen werden ihre Ware Arbeitskraft ohne soziale Sicherungen auf dem Arbeitsmarkt zu verschachern.
Wenn sich gegen diese Zurichtung Menschen, auch militant, zur Wehr setzen, ist das nur folgerichtig.
Gewalt wird in unseren kapitalistischen Gesellschaften immer nur als körperliche Gewalt wahrgenommen, strukturelle Gewalt existiert in der Wahrnehmung faktisch nicht. Gleichzeitig wird in Demokratien immer Gewaltlosigkeit propagiert, die aber in einem durch und durch gewalttätigen System eher als Farce erscheint. Einerseits soll die propagierte Gewaltlosigkeit zur Manifestierung des Gewaltmonopols des Staates dienen, der somit als Einziger berechtigt ist zu entscheiden, wann Gewalt legitim und legal ist, andererseits wird damit eine Abgrenzung zu Gewalt geschaffen, die in der Praxis dazu führt, dass Gewalt zwar fasziniert, aber immer als das "Andere", nicht der Gesellschaft immanente wahrgenommen wird.
Durch die Massenmilitanz der Proteste in Frankreich
wird diese Wahrnehmung bei den Protestierenden
aufgehoben, die Negation der Verhältnisse wird zum
Programm, Kritik wird durh die Wahllosigkeit der
Militanz zu ihrer Eigentlichkeit abstahiert, das
heißt, sie wird zu dem was sie ist:
Antifa-Jugend-Frankfurt im März 2006
Berichte zum Polizeiangriff auf Cyril Ferez und den Protesten gegen die Einschränkung der Kündigungsschutzes in Frankreich: Telepolis, IV. Internationale, N24, Berliner Umschau