Gegenstand der Kritik sind u.a. die Online-Durchsuchung von Computern, die massenhafte Überwachung von Flugreisenden, die elektronische Gesundheitskarte und die BKA-Novelle, die beispielhaft für "Überwachungswahn" und eine "unersättliche Sicherheitspolitik" stehen. Die zwei Protagonisten dieses gesellschaftlichen Trends sind laut des Bündnisses die üblichen Verdächtigen: die Wirtschaft und der Staat. Trotz der üblichen Kritik an Ein-Punkt-Bewegungen und einem tendenziell schrägen Verständnis von Gesellschaft finden wir es erstmal gut und richtig, dass sich etwas tut gegen die seit Jahren voran schleichende Sicherheitspolitik, die ganz nebenbei bemerkt einen Angriff auf die Standards und Versprechen bürgerlicher Freiheits- und Persönlichkeitsrechte darstellt. Auch wenn der Standpunkt unserer Kritik natürlich nicht die allgemeinen Bürger- und Menschenrechte, der code civil oder das Grundgesetz sind, so sei trotzdem gesagt: wir machen mit, aber natürlich nicht ohne die übliche solidarische Kritik und den eigenen – hier :antikapitalistischen - Block.
Dass die Sicherheitspolitik der letzten Jahre mehr als nur eine Randnotiz in den Geschichtsbüchern von übermorgen sein wird, ist schon lange kein Geheimnis mehr.
Schließlich ist sie nicht bloß eine logische Konsequenz kapitalistischer Vergesellschaftung im bürgerlichen Staat, sondern vielmehr ein Angriff auf dessen politisch-philosophisches Selbstverständnis. Schon das ist Grund genug, die Bürgerbewegung nicht einfach mit dem Verweis auf ihre Beschränktheit abzutun, schließlich geht es hier nicht nur um die Frage der Emanzipation vom schlechten Bestehenden, sondern um die Verteidigung bürgerlicher Mindest- standards, von denen die Umwälzung der Verhältnisse zumindest mehr profitieren könnte, als vom autoritären Staat. Die Widersprüchlichkeit bürgerlicher Ideologie muss überhaupt nicht geleugnet werden, um anzuerkennen, dass sie trotzdem ein Mindestmaß an Eigenständigkeit gegenüber der Logik von Konkurrenz und Verwertung bewahren kann, solange der/die Einzelne ihr Gegenstand ist. Es geht also in den Kämpfen, die nicht über das Bestehende hinausweisen, nicht immer um Dinge, mit denen sich erleuchtete AntikapitalistInnen nicht abzugeben brauchen: Im Kampf um die Deutung bürgerlicher Ideologie und ihrer Ziele macht es eben einen eklatanten Unterschied, ob das Ganze dabei endet, dass niemand was zu befürchten, der/die nichts verbrochen hat oder ob die Persönlichkeitsrechte auch für Menschen gelten, die es mit dem BGB nicht ganz so Ernst nehmen. Letztendlich geht es also darum, die Elemente bürgerlicher Ideologie zu bewahren,
die sich abseits der Notwendigkeiten von Staat und Kapitalismus bewegen, um Anknüpfungspunkte für eine radikale Kritik der Verhältnisse zu erhalten. Natürlich ist das nicht die Aufgabe einer radikalen Linken, die das deswegen trotzdem nicht schlecht finden sollte.
Vergessen darf Mensch dabei allerdings zweierlei nicht. Weder ist ein bisschen Privatsphäre vor und nach der verzehrenden Arbeit oder dem erniedrigenden Gang aufs Arbeitsamt das Nonplusultra der Geschichte, noch finden die Diskurse um repressive Sicherheit im luftleeren Raum statt. Ohne in Paranoia zu verfallen, muss festgestellt werden, dass unter den momentanen Verhältnissen der Ruf nach Sicherheit auch auf realen Problemen fußt. Es wird definitiv nicht netter auf den Straßen, und auch die Weltordnung bringt so ihre Probleme mit sich. Sinnlose Gewaltorgien, politischer und religiöser Fanatismus und prügelnde Neonazis gehören zum Alltag dieser Gesellschaft; diese banale Feststellung allerdings für den Ausbau staatlicher Überwachungs- und Kontrollmechanismen nutzbar zu machen, setzt ein Gesellschaftsverständnis voraus, das eher an autoritäre Gesellschaftstheoretiker wie Thomas Hobbes erinnert, der schon vor 350 Jahren reaktionär war. Auch wenn es natürlich keine kausalen Zusammenhänge von ökonomischen Lagen, sozialen Situationen und Kriminalität usf. gibt, gehen doch die Probleme , vor denen der Staat sich zu schützen versucht, nicht auf die Rechnung von freien, mündigen Störenfrieden. Es sind gesellschaftliche Probleme, die nicht selten in der Struktur kapitalistischer Verwertung selbst wurzeln. Die aktuelle Sicherheitspolitik ist nicht nur der Tatsache zu verdanken, dass einige weltpolitische Anlässe ein gefundenes Fressen für diejenigen waren, die von ihrem autoritären Staatsverständnis angetrieben jede Kamera grundsätzlich befürworten. Vielmehr ist sie das Resultat einer Denkweise, die systematisch politische und soziale Konflikte individualpsychologisch und isoliert erklärt und somit gesellschaftliche zu polizeilichen Problemen macht.
Die eigentliche Lüge staatlichen Sicherheitswahns ist also nicht die über Probleme: Nicht wenige von ihnen gibt es wirklich. Vielmehr ist sie eine Lüge über die Problemstellung: nicht die Diskussion über mögliche Ursachen wird geführt, sondern die um die Bekämpfung von Wirkungen, als wären diese der Anfang und nicht das Ende einer Konfliktkette. Wer also über Sicherheit redet, der/die muss gerade den Irrtum aufdecken, mensch könnte dies ohne eine gesamtgesellschaftliche Bestandsaufnahme, Auf diesen Sachverhalt gilt es für uns hinzuweisen, wenn wir den berechtigterweise "besorgten BürgerInnen" am 31. Mai kritisch-solidarisch zur Seite stehen. Die radikale Linke hingegen bitten wir, das Problem ernst zu nehmen und einzusehen, dass sie neben aller Marginalität nun auch ganz pragmatisch angegriffen wird, wenn nonkonforme Aktivitäten in zunehmendem Maße illegalisiert und ihre strafrechtliche Relevanz stetig aufgewertet wird. Ein gutes Beispiel gibt hierfür die bayrische Landesregierung mit ihrem Gesetzesvorschlag für ein neues Versammlungsrecht, gegen den im Übrigen auch am 31. Mai in München zu einer zentralen Demo aufgerufen wird.