Zur Demonstration gegen NS-Verbrecher Heinrich Schubert

Presseerklärung der Anti-Nazi-Koordination (ANK) Darmstadt

Wir haben heute, am 17.05.2009, mit ca. 30 TeilnehmerInnen am Haus von NS-Verbrecher Heinrich Schubert in der Rückertstr. 37 in Darmstadt-Bessungen demonstriert. Die DemonstrantInnen konnten unter Polizeibegleitung (u.a. auch die leitende Staatsschutzbeamtin Meyer) bis zum Haus von Schubert gelangen, was allerdings von Polizeibeamten und ihren Fahrzeugen blockiert und geschützt wurde. Die Rolläden des Hause Nr. 37 waren komplett verschlossen, was von der Polizei damit begründet wurde, daß Schubert mittlerweile in einem Pflegeheim untergebracht ist. Das ist uns nicht bekannt und auch die anwesenden Journalisten konnten das nicht verifizieren. Die DemonstratInnen riefen Parolen wie "Kein Vergeben, kein Vergessen - Nazis haben Namen und Adressen" und zeigten gut sichtbar für alle AnwohnerInnen Tranparente (u.a. "Nazis bekämpfen - auf allen Ebenen, mit allen Mitteln"). Nach etwa einer halben Stunde hat sich die Demonstration ohne Zwischenfälle geordnet zurückgezogen und dann aufgelöst.

Wir machen den Erfolg dieser Aktion nicht von der Anzahl der DemoteilnehmerInnen abhängig. Wir wollten mit dieser Demonstration und den Presseerklärungen der letzten Tage die Diskussion um noch flüchtige oder in Freiheit lebende NS-Verbrecher wieder zum Thema einer breiten Öffentlichkeit machen. Wir wollten und werden weiterhin Druck auf die Staatsanwaltschaft ausüben, die das Ermitllungsverfahren seit 2001 offensichtlich verschleppt und auf ein alters- und krankheitsbedingtes Verfahrensende zu spekulieren scheint. Die Medien haben objektiv und fair berichtet, die Staatsanwaltschaft hat sich nach vielen Jahren wieder zum Stand des Verfahrens äußern müssen und der Staatsschutz wurde aktiv. Der Apparat hat sich bewegen müssen: daran messen wir in diesem Fall unseren Erfolg!

Die Auslieferung von NS-Massenmörder Demjanjuk aus den USA in den Knast München-Stadelheim zeigt, daß die Verfolgung von NS-Tätern auch über60Jahre nach Kriegsende noch realisierbar ist. Die unmenschlichen und unvergleichbaren Verbrechen dürfen nie vergessen werden, die Opfer dürfen nie vergessen werden - und vor allem nicht ihre Mörder!

Wir fordern die Staatsanwaltschaft auf, die Ermittlungen gegen Heinrich Schubert abzuschließen und Anklage wegen Mordes und Anstiftung zum Mord zu erheben!!!
Wir fordern die Veröffentlichung der medizinischen Gutachten zur Verhandlungsfähigkeit von Heinrich Schubert!!!
KEIN VERGEBEN - KEIN VERGESSEN!!! KEIN FRIEDE MIT NS-TÄTERN!!!

“Die Mörder sind unter uns – kein Friede mit den Tätern”

Presseerklärung der Anti-Nazi-Koordination (ANK) Darmstadt vor der Demonstration am 17. Mai

Laut einem Radiobericht von hr-info hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt Anfang Februar 2009 die Ermittlungen wegen Mordes und Anstiftung zum Mord gegen den in Darmstadt lebenden Alt-Nazi Heinrich Schubert aus Mangel an Beweisen eingestellt. Eine offizielle Presseerklärung gab es dazu allerdings nicht!!!

Die Ermittlungen wurden im September 2001 nach einer Strafanzeige durch ein damaliges Mitglied der Stadtverordnetenversammlung aufgenommen.

Zuständig für diesen Fall mit dem Aktenzeichen 1042 Js 30651/01 war Oberstaatsanwalt Thomas Seifert. Heinrich Schubert wurde von der Militärstaatsanwaltschaft in Turin wegen „Mordes an italienischen Staatsbürgern“ in Chiuso Pesio in der norditalienischen Provinz Cuneo verantwortlich gemacht und angeklagt.

Schubert war Kommandant einer berittenen Aufklärungseinheit der 34. Division der Wehrmacht, die vor allem zur Partisanenbekämpfung in der Region stationiert war. Die 34. Division galt mit ihrer Ostfronterfahrung als eine der brutalsten Infanterieeinheiten. Ein Opfer von Hauptmann Schubert, der Berufungsgerichtsrat Dr. Carlo Ferrero, wurde von der faschistischen Brigate Nere an die Nazis denunziert, weil er angeblich Partisanen unterstützte.

Am 19.12.1944 wurde Ferrero von Schubert persönlich bis zur Unkenntlichkeit ausgepeitscht und dann gemeinsam mit seinem Begleiter auf Schuberts Befehl ohne Prozess erschossen. Bereits eine Woche zuvor hatte es im Cuneo-Tal eine Racheaktion an 12 Zivilisten gegeben, für die Schubert nach Recherchen des italienischen Historikers Gentile ebenfalls verantwortlich war. Im Februar 1946 wurde durch die italienische Justiz gegen Schubert und drei weitere Offiziere (Schlemer, Klingemann, Gerhardt) ermittelt. Aus bis heute unbekannten Gründen wurden die Untersuchungen dann 1960 eingestellt und die entsprechenden Unterlagen archiviert.

Die Akten wurden erst im Zusammenhang mit dem Gerichtsverfahren gegen den Nazi Erich Priebke im Jahr 1997 wieder geöffnet. Die Recherchen eines Journalisten der italienischen Zeitung „La Repubblica“ führten dann zur Anzeige bei der Darmstädter Staatsanwaltschaft. Den deutschen Behörden liegen über 600 Seiten Material aus Italien vor, trotzdem wurden die Ermittlungen scheinbar verschleppt und angeblich sogar eingestellt.

Schubert lebt heute im Alter von 92 Jahren mit seiner Frau in Darmstadt.

Reiterutensilien an der Außenwand seines Hauses in der Rückertstraße 37 dokumentieren auch heute noch die offensichtliche Verbundenheit zu seiner Vergangenheit in der Reiterstaffel.

Einige Beispiele aus Darmstadt während der NS-Zeit:

1933
Bei den Wahlen am 5. März lag die Stadt mit 50 Prozent der Wählerstimmen deutlich über dem Reichsdurchschnitt. Zwei Wochen später wird die Schließung jüdischer Geschäfte verfügt, der frühere hessische Innenminister Wilhelm Leuschner wird verhaftet, der Luisenplatz in Adolf-Hitler-Platz umbenannt.

1936
In Darmstadt werden die Wanderausstellungen “Volk & Rasse” und “Entartete Kunst” gezeigt.

1938
In der Reichspogromnacht werden die Synagogen in der Bleichstraße, in der Friedrichstraße und in Eberstadt in Brand gesteckt und Wohnungen und Geschäfte von Juden verwüstet.

1942
Vom Sammellager in der Liebigschule werden rund 3000 Juden aus Darmstadt und Umgebung nach Theresienstadt, Auschwitz und andere Lager gebracht. Die letzten noch verbliebenen Juden werden im Februar 1943 nach Theresienstadt verschleppt.

Nicht zufällig also hat Ernst Thälmann von der antifaschistischen KPD die Wahlkampfauftaktveranstaltung 1932 in Darmstadt abgehalten, nicht zufällig haben alliierte Bomber die Stadt am 11.September 1944 fast komplett zerstört: Darmstadt war fest in der Hand der Nationalsozialisten! Neben Schubert brachten es auch andere Darmstädter zu trauriger Berühmtheit. Zwei Beispiele:

Der ehemalige Marineangehörige und SS-Offizier Friedrich Engel aus Darmstadt war im Zweiten Weltkrieg SS-Befehlshaber im italienischen Genua – von Überlebenden wurde er als “Henker von Genua” bezeichnet.
Im Mai 1944 ließ Engel zur Abschreckung 59 Geiseln an der Liturgischen Küste ermorden.
Mindestens ein Opfer, das zunächst nur verletzt wurde, soll Engel eigenhändig umgebracht haben. Erst 1999 wurde Engel in Turin in Abwesenheit wegen der Ermordung von 246 Geiseln zu lebenslanger Haft verurteilt. Bis dahin lebte Engel als freier Mann in Hamburg.

Leben – ein Umstand, der den Millionen Opfern des Nationalsozialismus nicht vergönnt war.

Dr. Werner Best, einer der führenden NS-Schreibtischtäter und Stellvertreter Heydrichs, kam ebenfalls aus Darmstadt. Der Jurist Best war maßgeblich an den Massenmord-Programmen im besetzten Frankreich und im besetzten Polen verantwortlich. Best gehörte zu den schlimmsten Organisatoren des Holocaust und war der führende Ideologe von SS und Gestapo. Er wurde für seine menschenverachtenden Verbrechen juristisch nie zur Verantwortung gezogen.

Wir werden nicht zulassen, daß auch der Mörder Heinrich Schubert wie zahllose NS-Verbrecher vor ihm seine letzten Tage in Freiheit und Frieden im Kreise seiner Familie verleben kann.

Deshalb ziehen wir den Nazi Schubert mit einer Demonstration in der Rückertstraße 37 im Stadtteil Bessungen wieder zurück in das Licht der allgemeinen Öffentlichkeit. Wir zeigen Darmstadt und Deutschland und der Welt, daß weder alte noch neue Nazis hier einen ruhigen Rückzugsraum haben und ihre Opfer niemals vergessen werden!

Wir fordern die Behörden auf, weiter gegen den Nazi Schubert wegen mehrfachen Mordes und Anstiftung zum Mord zu ermitteln!

TREFFPUNKT FÜR DIE DEMONSTRATION:
Sonntag, 17. Mai 2009
12 Uhr
Kapellplatz (Soderstraße), Darmstadt

Deutsche Täter sind keine Opfer!
KEIN VERGEBEN – KEIN VERGESSEN!!!!

Anti-Nazi-Koordination (ANK) Darmstadt

Quellen:
La Repubblica, Ausgabe vom 24.04.2001
FAZ, Ausgaben vom 17.08.2001 und 18.08.2001 Neues Deutschland, Ausgabe vom 01.09.2001 junge welt, Ausgabe vom 04.09.2001 Darmstädter Echo, Ausgabe vom 03.05.2003 Darmstädter Echo, Ausgabe vom 16.01.2004

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