Deutsche Waffen, deutsches Geld

Eine Anmerkung zu dieser Kundgebung -
Flugblatt von Antifas zur Irandemo am 27. Juni 2009 in Frankfurt

Wütende Demonstranten, Brandsätze auf Polizeiautos, Generalstreik. Die Lage im Iran ist offen, das Regime schwankt. Ob die Reformer oder erneut die reaktionären Sittenwächter siegen werden, das ist zur Stunde nicht ausgemacht. Im Moment zumindest ist das auch nicht wichtig. Fast alles ist besser, als das bestehende Regime des religiösen Wahns, steht es doch für den Versuch, den einmal erreichten Stand der bürgerlichen Emanzipation zurückzunehmen. Die iranische Bevölkerung kämpft, und sie hat eine Welt zu gewinnen. Die weltpolitische Bedeutung des Konflikts ist klar. Ein Umsturz im Iran, noch dazu aus eigener Kraft der Bevölkerung, könnte im Nahen Osten Leuchtturmwirkung haben und den Einfluß der rechtsradikalen islamistischen Bewegungen zurückdrängen. Was wir gerade erleben, ist auch zugleich eine Revolte gegen die aggressive Außenpolitik des Präsidenten Ahmadinedschad, etwa mit seinen Vernichtungsdrohungen gegen Israel. Wer heute und hier auf die Straße geht, um seine oder ihre Solidarität zu bekunden, hat dazu also allen Grund. Solidarität aber muß praktisch sein. Benennen wir also, wer hier in Deutschland dafür verantwortlich ist, daß das iranische Folterregime allzu lange auf allzu stabilem Grund gestanden hat und womöglich weiter stehen wird.

Da ist zum einen die deutsche Wirtschaft. Sie ist eine der Verantwortlichen für die Stabilität des Regimes Nach wie vor ist Deutschland der westliche Haupthandelspartner des Iran, und neben Mediakamenten und Babynahrung lieferten deutsche Betriebe ebenso Elektroschocker für die Folterknäste und Uranzentrifugen für den Bombenbau. Die Internetzensur beispielsweise, mit der das Regime zur Zeit versucht, den Protest zu behindern, ist maßgeblich von der Firma Siemens konzipiert worden. Diese mörderischen Geschäfte sind allerdings keine Perversionen eines ansonsten guten Systems und auch keine Korruptheit perverser geldgieriger Manager. Sie sind der marktwirtschaftliche Normalfall, die Normalkatastrophe. »Wenn Blut auf der Straße fließt, sollst Du kaufen«, sagt ein altes Sprichwort. Daß deutsche Kapitalisten das allzu wörtlich nehmen, kann man ihnen zwar mit allem Recht moralisch vorhalten. Es ändert aber nichts an der kapitalistischen Verwertungslogik, die nicht nur den Trinkhallenbesitzer, sondern ebenso den Waffenproduzenten auf Trab hält. Entziehen sie sich dieser Logik, gehen sie unter. Was wie eine vertrackte Zwickmühle aussieht, sollte mensch jedoch als sportliche Herausforderung sehen. Denn der zu entrichtende Preis des iranischen Exportgeschäfts wird noch verhandelt. Kreative Protestformen gegen iranfreundliche Waffenexporteure im Frankfurter Raum und andere innovative Preisregulierungsmaßnahmen können Aufmerksamkeit erregen, das Image beschädigen und die Bilanzen verhageln.

Für die dreckigen Deals der deutschen Industrie braucht es aber auch der Politik, die die Rahmenbedingungen dafür schafft sowie eines Heeres an Politikberatern und Journalisten, die die iranische Diktatur zu einer etwas rabaukigen, aber im Grunde ganz kommoden Diktatur herunterspielen, von der angeblich keine Gefahr ausgeht, weder für die eigene Bevölkerung noch für die Region, insbesondere nicht für Israel. Der »pragmatische Kurs« der Großen Koalition aus SPD und CDU heißt im Klartext: Ein bißchen Waffenhandel, ein bißchen atomare Aufrüstung, ein bißchen Diktatur. - So wenig die Demonstrantinnen und Demonstranten vor dem Präsidentenpalast aber nur ein bißchen totgeschossen werden, so wenig gibt es eben ein bißchen »kritischen Dialog«.

Wenn die Fraktionen im Römer von CDU und SPD heute den Aufruf »für Menschenrechte und Demokratie - gegen den Staatsterror im Iran« unterstützen, dann ist das zutiefst verlogen. Denn ihre Parteien stabilisieren durch ihr Handeln tagtäglich das iranische Regime: nicht nur im Waffenkontrollausschuß des Bundestages, sondern ebenso durch eine Politik der ausgestreckten Hand gegenüber dem Iran sowie durch die seit Jahren restriktive Asylpolitik, die jeden Flüchtling erstmal als Wirtschaftsschmarotzer diffamiert.

Den Iranerinnen und Iranern auf den Straßen von Teheran dürfte das mittlerweile zumindest herzlich egal sein, sie haben den Aufstand gewagt auch trotz der deutschen Unterstützung der iranischen Mullahs.

Der Sieg des islamistischen Putsches im Jahr 1979 war die Tragödie der persischen Geschichte, versinnbildlicht durch die Erstürmung der amerikanischen Botschaft. Das autoritäre Schahregime wurde nur durch ein noch blutigeres, durchweg reaktionäres Regime des religiösen Wahns ersetzt, das alle Entfaltung der Einzelnen wie der Gesellschaft verhinderte. Dreißig Jahre später ergibt sich für die iranische Bevölkerung die unerwartete welthistorische Gelegenheit, diese Scharte der Konterrevolution auszuwetzen. Die Gelegenheit mithin, Schluß zu machen mit dem Wahn des Islamismus wie mit der bürgerlichen Gesellschaft gleichermaßen. Denn diese war es, die mit der kühlen Sachzwanglogik der Kapitalverwertung den Horror des reaktionären Theokratenregimes erst ermöglicht hat. Sollte in der Teheraner Bevölkerung noch Verlegenheit bestehen, welche Landesvertretung bei der eigentlich bald fälligen Botschaftserstürmung des Jahres 2009 in Frage kommt, so würden wir unbedingt einen Abstecher in die Avenue Ferdowsi 320-324 empfehlen. Die dortige deutsche Botschaft dürfte eine großartige Kulisse für dramatische Bilder abgeben. Und sowohl die islamische Welt als auch der Westen dürften das Signal an die Adresse der Kollaborateure des menschenverachtenden Systems wohl zu deuten wissen.

Auch aus diesem Grund blicken wir dieser Tage voller Hoffnung nach Teheran und wünschen den Protestierenden dort Mut, Kraft und einen langen Atem.

Stört die deutsche Kollaboration mit dem Iranischen Regime!
Hoch die Internationale Solidarität

Demo gegen religiösen Fundamentalismus am 28. Februar 2009

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