Der Minister und seine Leiche

Am 12.12.85 wurde Joschka Fischer als erster grüner Minister dieser Republik - als hessischer Minister für Umwelt und Energie - vereidigt. Am 28.9.85 wurde Günter Sare in Frankfurt während einer Demonstration gegen die NPD von der Polizei - durch überrollen mit einem Wasserwerfer- ermordet. Was haben diese beiden Ereignisse miteinander zu tun??

Außer, daß der Wasserwerfer, durch den Günter ums Leben kam, aus dem Landesetat bezahlt wurde, den die hessischen Grünen als Vorleistung für den jetzt ergatterten Ministerposten mit der SPD verabschiedet haben? Der Minister J. Fischer und der ermordete Günter Sare kannten sich persönlich.

Beide waren Ende der 60er/ Anfang der 70er Jahre bekannte Gestalten in der damaligen Frankfurter Linken Szene.. Beide kämpften damals gemeinsam gegen "Vietnamkrieg der Amis, Hetze der Springerpresse (Bildzeitung), gegen die Zerstörung von Hohn- und Lebensraum, gegen die Folter von politischen Gefangenen der RAF in deutschen Knästen, FVV Fahrpreiserhöhung, usw.

Damals waren sich beide darüber einig, daß auch die in Bonn, Wiesbaden und Frankfurt herschende SPD, ein Gegner der linken Bewegung ist, und zur Durchsetzung linker Ziele (Verhinderung von Hausraumun-gen) etc. auch Gewaltanwendung legitim ist. Ein Unterschied zwischen beiden, typisch für die damalige Bewegung, war die Trennung zwischen Proleten und Intelektuellen. Während sich Joschka Fischer im Dunstkreis eines Daniel Cohn Bendit zum Theoretiker und Redner der radikalen Linken profiliert, blieb Günter der Prolet aus dem Gallus, der die von den "Führern" der Bewegung theoretisch geforderte Ablehnung und Bekämpfung des Systems auch für sich persönlich begriff und handelte.

Günter war einer von vielen Arbeitern, Jugendlichen etc. dieser Zeit, die sich im Laufe der sogenannten Studentenrevolte dieser Bewegung an-schloßen und radikal mit ihrem bisherigen Leben als Fließbandarbeiter etc. brachen, und von den Studenten Anfangs wie Trophäen des Erfolges linker Politik auch in den Kreisen der Arbeiter vorgeführt und herumgereicht wurden. Die Trennung zwischen Kopf - und Handarbeitern, Denkern und praktisch Handelnden erfolgte in Frankfurt nach der Demonstration zum Tode von Ulrike Meinhof, einer Mitgründerin der RAF. Während gerade J. Fischer vor dieser Demo auf einem teach-in ausrief, daß es jetzt nicht mehr ausreichen würde, Steine zu schmeißen und daraufhin ein Bulle durch einen Mollotow-Cocktail schwer verletzt wurde, in der Innenstadt kaum noch eine Bank wieder zuerkennen war, folgte Tage später die Läuterung des Joschka Fischer vom Revolutionär zum Politiker. Am Abend nach der Demo hatte das Fernsehen die Bilder der "Führenden" FFM Linken gezeigt und viele von ihnen waren verhaftet worden. Ein paar Tage später äußerte ein anderer j. Fischer: Die Zeit der Gewalt und des "Steine schmeißens ist beendet" !!!! Wie er und andere, zu dieser Umkehrung der Meinung kamen; nachdem doch das passiert war, was sie, zumindest theoretisch forderten, liegt bis heute im Dunkeln der Amtsstuben von Polizei, BKA und Bundesanwaltschaft.

Ähnlich wie Günter war ein anderer Prolli, Klein-Klein, zur Bewegung gekommen. Im Gegensatzt zu Günter hatte er sehr engen Kontakt zu den damaligen Anführern und auch er nahm das Ernst, was die von sich gaben. Klein-Kleins Kon-sequens war schließlich das er an der Geiselnahme von Opec (Zusammenschluß Erdölfördernder Länder) Ministern in Wien teilnahm, dabei lebensgefährlich verletzt wurde. Plötzlich war den Ziehvätern Klein-Kleins klar, daß er schon immer ein Arschloch gewesen war.

Zwei Jahre später springt Klein-Klein von seinem Guerillia-Trip ab, findet die RAF und den bewaffneten Kampf als Schwachsinn und wird von seinen Ziehvätern in ihrem Presseorgan "PflasterStrand" als Zeuge gegen die" Faschistoiden Strukturen und Ziele der RAF, RZ etc aufgebaut. Höhepunkt dieser Kampange ist die Androhung, sich an bekannten Verfechtern und Sympatisanten der Guerillia zu rächen, dabei wurde sogar von einer Namensliste gemunkelt, die im Falle, daß Klein-Klein, der irgendwo im Untergrund lebte, etwas zustoßen würde, "der Polizei übergeben würde". Danach wurde es ruhiger um die früheren Genossen. Nach und nach lößten sich die Zusammenhänge auf. Man zog sich ins Privatleben zurück, wurde Rechtsanwalt, Mediziner oder Hausbesitzer. Kinos, Kneipen , Zeitungen wurden eröffnet , Bausparvertage abgeschlossen und mit kritischer Zustimmung das Beste aus den herr-schenden Verhältnissen gemacht.

Diese Möglichkeit hatten aber die Prollis nicht. Nicht mehr in der Lage 40 Std. in der Woche in Fabriken und sonstwo zu malochen, versuchten sie mit Jobs, Sozialhilfe und anderen Einnahmequellen zu überleben. Für viele von ihnen, die weiter zu dem standen, an was man früher gemeinsam geglaubt und gekämpft hatte, führte der Niedergang der radikalen Linken und das überlaufen der "Größen" von einst zum politischen Gegner in Resignation, Alkoholismus oder in die Klapse. Während Joschka Fischer sich über die Grünen in den Bundestag und schließlich zum Minister hocharbeitete, war Günter weiterhin von seinen Ideen, Zielen und Wünschen überzeugt, daß es nur noch wenige von 10000en waren, verbitterte ihn zwar, konnte ihn jedoch nicht von seinem Weg abbringen.

Ein Alt-70er !

Anmerkung: Hans-Joachim Klein war Mitglieg des internationalen Zweigs der Revolutionären Zellen und an der Besetzung der OPEC-Konferenz in Wien beteiligt. Die Auseinandersetzung der 70er Jahre um seinen Ausstieg aus den RZ und zur OPEC-Aktion ist im Rahmend er Prozessberichterstattung zum Berliner RZ-Prozeß dokumentiert.

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