Massenverhaftung - Eindrücke aus den Zellen

Die folgenden Schilderungen aus den Knasten/ Zellen sind Eindrücke jeweils einzelner Personen.

Sie sollen keineswegs den Funkt, dass es sich hier um eine Massenverhaftung gehan­ delt hat "besch ö nigen". Im Kessel, wo besonders zu Anfang die Ungewissheit eine sehr gedr ü ckte Stimmung - es ist unheimlich still gewesen - erzeugt hat, haben wir uns abwartend verhalten. Nachdem klar gewesen ist, dass wir wahrscheinlich alle einfahren, hat sich diese Spannung gelöst. Im Knast selbst ist unsere Wut wieder voll rausgekommen. Alle haben sich gewehrt - in jeder Zelle im Rahmen der Möglichkeiten.

"Stimmung im Bullenhauptquartier"

Gegen 23.00 Uhr komme ich aus dem Kessel vor dem Hauptbahnhof ins Präsidium. In einem hörsaalahnliehen Raum sitzen etwa 70 Leute auf den B ä nken, es folgt eine lautstarke Begr ü ssung. Unsere Zahl erhöht sich auf rund 100, darunter etliche Leute die einen ver­sch ü chterten Eindruck machen. Im Raum ein Dutzend Bullen, der Aussengang voll damit und auf dem Podium 4 Oberbullen. Unsere st ä ndigen Parolen (wie: "wir wollen keine ED" ) , sowie die Forderungen nach Rechtsanwälten und Verpflegung unterstützen wir durch schlagen gegen die Klappsitze. Dieser Höllenlärm macht sämtliche Versuche der Oberbullen zu telefonieren unmöglich. Die "Verschüchterten" tauen langsam auf und nach dem kläglchen Scheitern des Versuchs einen von uns zwecks ED-Behandlung rauszugreifen, macht sich Feststimmung breit. Gegen 24.00 Uhr sind RA T.Scherzberg, U. Küpper (beide Bunte Hilfe) und Haftrichter Ullrich anwesend. Unsere Forderungen sind, dass wir alle sofort ohne ED-Behandlung und Personalienfeststellung rauskommen. Da die Bullen schon bei der Festnahme die Ausweise einiger Leute einbehalten haben, ist eine geschlossene Fersonalienverweigerung unmöglich, zumal der Rechtsanwalt uns mitteilt, dass die Bullen uns ohne Angabe dieser nicht rauslassen. Mit der Zusage, dass es zu keiner ED-Behandlung kommt und die Anwälte dableiben bis der /die Letzte (vor allem die ohne Ausweis) draussen ist, sind fast alle einverstanden, die Personalien anzugeben, um dann rausgelassen zu werden. Umso unverständlicher dann schwachsinnige Äusserungen wie "lass dein blödes Sozialarbeitergewäsch (zum Rechtsanwalt), falls die Bullen uns nicht ohne Feststellung der Personalien rauslassen, bleiben wir drin, damit können wir politisch Druck machen". Den meisten ist klar, dass wir draussen mehr Druck machen können und so lassen wir die Personalien notieren. Gegen 2.15 Uhr ist die Letzte draussen. Die Drecksbullen nehmen von ihr aber doch noch die Fingerabdrücke.

Unser geschlossenes Auftreten hat mich sehr beeindruckt und uns Kraft gegeben. Ich bin dann gleich zum "Polizeigewahrsam" Klapperfeld, um dort die Forderung nach Freilassung der Festgenommenen zu unterstützen. Dort ist auch einiges los.

Die Frauenzellen Klapperfeld

Gleich nach der Ankunft werden unsere Personalien aufgenommen und Polaroid-Fotos gemacht. Dann werden wir durchsucht und in zwei Zellen mit jeweils ca. 20 Frauen gepackt. Als die Bullen sich weigern die Fenster der total überheizten Zellen zu öffnen, (zwei Frauen haben starke Schmerzen wegen Schlägen auf den Kopf) tun wir dies selbst. Der Terz in der Zelle nimmt zu, da wir weder einen Anwalt anrufen dürfen, noch den Grund der Festnahme erfahren. Als die Bullen nach drei Stunden Angst um die nicht mehr stabilste Tür bekommen, öffnen sie und fünf Frauen sollen zum Telefonieren mitkommen. Vom Gang aus werden wir sofort in eine benachbarte Zelle - natürlich ohne telefonieren - gedrängt, die zusätzlich mit einem 2x3m "grossen" Gitterkäfig gesichert ist. Erst nachdem die inzwischen anwesenden Anwälte hiergegen protestieren, kommen wir wieder in die Gemeinschaftszelle. Kurze Zeit sp ä ter bemerken wir einen vor dem Knast postierten Wawe, der beide Rohre auf unser Fenster richtet und dann ein Wasser/Gasgemisch in unsere Zelle spritzt. Wir versuchen mit aller Kraft die Tür zu öffnen. Die Anwältin hört den Tumult und öffnet die Tür von aussen, woraufhin wir auf den Gang stürmen und sofort Ketten bilden, da die Bullen versuchen uns sofort in die gasverseuchte Zelle zurückzudrängen. Während zwei Anwälte den Haftrichter holen bleibt der Dritte bei uns, weil die Bullen oberaggressiv drauf sind. Erst versuchen die Bullen ihn wegzulocken, dann wird er aufgefordert die "Räumlichkeiten sofort zu verlassen". Nach, verbaler Bedrohung drängen sie ihn an die Wand und bedrohen ihn mit Knüppeln. In dem Moment kommen die anderen 2 Anwälte mit dem Haftriehter Ullrich zurück. Die Bullen versuchen uns in die Zelle zurückzudrängen und trotz des offensichtlichen Gasgestanks samt Wasserlache behaupten sie "Gas kann da keins drin sein, weil die Fenster zu sind". Als wir erklären, dass wir Anzeige wegen Körperverletzung im Amt erstatten wollen, verweigern uns die Bullen ihre Personalien und Dienstnummern. Hierzu erklärt der Haftriehter lapidar "dann können sie halt nur Anzeige gegen unbekannt erstatten". Währenddessen haben sich die Bullen verpisst. Wir drohen, nicht eher zu gehen, ehe wir die geforderten Personalien hätten und werden daraufhin förmlich aus dem Knast geschmissen. Inzwischen haben (leider nur) einige von uns und der bedrohte RA diese Anzeige erstattet und auch Antrag auf Vernichtung der ED-Unterlagen gestellt. Da alle Festgenommenen sich in Präventivhaft vorläufige Inverwahrungsnahme zur Verhinderung möglicher Straftaten" ) befunden haben, ist das Fotografieren rechtswidrig gewesen. Deshalb sollen alle die dies betrifft diesen Antrag stellen und sei es nur um die Gerichte mit Arbeit zu ü berhäufen.

Währenddessen in einer Zelle obendrüber

48 Leute (männl.) in einer knapp 40qm kleinen Zelle, schlechte Luft (Heizung ist an und keine Belüftung) und am Anfang gedrückte Stimmung. Was kann mensch jetzt, in so einem Loch sitzend, noch /schon machen? Zumindest sorgen Parolen und zwei eingeschleuste Eddings für etwas bessere Laune. Uns fällt auch gleich die schlechte Luft in der Zelle auf. Da gibt es auch gar nicht viel zu ü berlegen! Mit vereinten Kräften werden die engmaschigen Gitter (die wohl zum Schutz der Scheiben angebracht sind) aus der Wand gerissen. Dann kommt das wohlbekannte klirren und die frische Luft. Was uns jetzt noch fehlt, ist ein Baustellenschild, welches ordnungsgemäß vor der Zellentür stehen müsste, aber es geht auch ohne. Von den Bänken, die an der Wand befestigt sind, wird eine mit Hilfe der Klotür rausgehebelt. Dadurch entstehen einige Löcher in der Wand. Am schönsten Loch wird weiter gearbeitet. Die abgerissene Bank bietet das nötige Werkzeug dazu. Der Arbeitslärm wird durch laute Parolen (auch von denen die vorm Knast stehen) überdeckt und in Kürze ist der Zellenboden mit Backsteinen übersäht. Die Laune ist glänzend!

Um 1 Uhr steht plötzlich so ein Zorro mit so'n paar behelmten Schwachköpfen in der Tür und meint er sei der Haftrichter. Wegen seines Gesichtes glauben wir ihm. Er meint, daß er gekommen sei, um uns zu entlassen. Aufgrund unserer agressiven Ausstrahlung könne er dies aber in frühestens 2 Std, machen. Auf unseren Vorschlag dies gleich zu tun, geht er nicht ein. Also müssen wir ihm ein Ultimatum setzen. Wir drohen, wenn wir in einer Std. nicht alle draussen sind, wird von seiner Zelle nicht mehr viel ü brigbleiben! Da wirft er noch, einen letzten durch seine nun doch schon arg mitgenommene Zelle und verschwindet. Nach einer Std.,in der wir uns nur mit stillen Arbeiten beschäftigen, wird dann unsere und die gegenüberliegende Zellentüre aufgeschlossen. In der Mitte steht Haftrichtie mit nem Stapel Persos und fängt an aus beiden Baustellen Namen aufzurufen. Nachdem ca. 40 entlassen sind, fallen beide Türen wieder ins Schloß. Naja, wenn sie glauben wir sind mit 30 Leuten nicht mehr in der Lage unsere Drohung wahr zu machen, so haben sie sich getäuscht. Das Loch wächst jetzt mit einer rasenden Geschwindigkeit. Zwischen­ drin werden immer wieder 5er Gruppen entlassen. Kurz bevor die Letzten draussen sind ge­ben Waschbecken und Klosch ü s­ sel ihren Geist auf und f ü r den Durchbruch in der 50cm starken Aussenwand fehlt auch nur noch eine Backsteinreihe! In der Nachbarzelle kommt es zu einem Wasserrohrbruch und es beginnt in den unteren Stockwerken zu regnen. Als dann schließlich alles unter Wasser steht kommt die Feuerwehr.

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