Presseanalyse

Wie bei allen Ereignissen, so trifft es natürlich auch auf den Tod von Günter Sare zu, dass nur wenige Menschen sich auf Grund eigener Beobachtung ein Bild von dem machen können, was tatsächlich passiert ist. Selbst unsere eigenen Beobachtungen sind nur bruchstückhaft und ergeben nur durch Informationsaustausch einen umfassenderen Eindruck. Die meisten Leute sind aber auf die Medien angewiesen und bilden sich folglich auf der Basis dieser Informationen eine Meinung (sollte sie das Thema überhaupt interessieren) . Mittels einer gezielten Auswahl und zielgerichteten Kommentierung der Informationen wird Meinung gemacht, bzw. werden Meinungen manipuliert. Auch wir sind betreffs der meisten aktuellen politischen Ereignisse (momentan z.B. WAAckersdorf) auf die Medien, speziell die Tageszeitungen, angewiesen. Deswegen finden wir es wichtig sich mit der Presse auseinanderzusetzen d.h., nicht nur stur die Presseartikel abzudrucken-, was wir im Folgenden am Beispiel des Mordes an Günter Sare und den Re.aktionen darauf (Demos, Anschläge,...) versuchen.

Im Zeitraum von 2-4 Wochen nach Günters Tod haben wir folgende Zeitungen / Zeitschriften untersucht. Die Tageszeitung (TAZ), Die ZEIT, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Frankfurter Rundschau (FR), Süddeutsche Zeitung (SZ), Abendpost Nachtausgabe (AN), BLIND, Stern, Spiegel und die hier erscheinenden Alternativblättchen PflasterStrand (PS) und Andere Zeitung (AZ). Ausserdem einige ausländische Zeitungen.

Folgende Fragen und Aspekte liegen unserer Untersuchung zu Grunde.

  1. Entspricht die Darstellung der Ereignisse der Realität?
  2. Wie wird Günter Sare dargestellt?
  3. Wer wird verantwortlich gemacht für den Tod Günter Sares? - Werden Verleudmungsversuche von Staatsanwaltschaft und Bullen aufgegriffen?
  4. Wer wird für die sogenannten "Krawalle" verantwortlich gemacht?
  5. Wie bringt die Presse Direkte- und Solidaritätsaktionen hier und in anderen Städten?
  6. Wird der Belagerungszustand als solcher geschildert?
  7. Darstellung und Bewertung der Bulleneinsätze.
  8. Welche Bedeutung wird der politischen Leichenfledderei in Parlamenten und Parteien beigemessen?
  9. Wie wurden die Demonstranten, dargestellt?
  10. Welche politischen Forderungen sind enthalten?

zu 1.) Entspricht die Darstellung der Ereignisse der Realität ?

Die Darstellung der Ereignisse zeichnet sich bei fast allen Zeitungen/Zeitschriften durch Lückenhaftigkeit aus. Daraus ergibt sich dem Leser ein verfälschtes Bild vom tatsächlichen Ablauf. Auch die unkommentiert eingeräumten Spekulationen, bzgl. des "Tathergangs?" , von Politikern, Staatsanwälten und Bullen tragen hierzu bei.

Eine Ausnahme bildet die TAZ, welche Über die ganze Zeit hinweg objektiv berichtet. Besonders negativ fallen der Stern (G.Kromschröder) und der (vom Anti-T-Journalisten Schüler geschriebene) Artikel in der Zeit vom 4.10.85 auf. Hier "dienen" die Ereignisse jeweils nur als Aufhänger, um eine Hetzkampagne gegen die militante Linke zu starten.

zu 2.) Wie wird Günter Sare dargestellt ?

Was die Darstellung von Günter Sare als Person angeht, erscheint durchgängig das Bild eines politischen Aktivisten, ohne theoretischen Anspruch. FAZ und SZ schreiben hierzu fast nichts, die Bildzeitung konstruiert sofort Zusammenhänge mit der RAF (er hatte mal einen Brief an U. Meinhof geschrieben).

Das "schlechte Gewissen" kommt in den Spontiblättern TAZ, PS und AZ zum Tragen. Sie bringen ein differenzierteres Bild und längere Beiträge über Günter. Die auch damals schon vorhandenen Differenzen zwischen theortischem Anspruch und der praktischen Umsetzung (z.B. Bockenheimer 93, Galluszen-trumI werden nur vorsichtig angedeutet.

zu 3.) Wer wird verantwortlich gemacht für den Tod Günter Sares ?

Je nach politischem Kurs der jeweiligen Zeitung, wird zu der Verantwortlichkeit für den Tod Günter Sares unterschiedlichst Stellung bezogen.

In der Boulevardpresse wird den "Chaoten" (bes. Startbahnbewegung) die Verantwortung für die "Krawalle" (nach der angeblich friedlichen Gegenveranstaltung ) und damit der Bulleneinsatz mit "Unfallfolge " zugeschoben.

FAZ und SZ reiten auf der selben Schiene, bloss nicht so platt. In beiden Blättern werden die Theorien, das Günter Sare mit einem Stock bewaffnet den Wawe angriff, bzw. von einem Stein getroffen (von den Bullen?) wurde, als Fakten gebracht und von der FAZ erst 6 Tage später in Frage gestellt. Die FAZ zitiert die Stuttgarter Nachrichten, die
sich auf Ausserungen eines GDP-Typs bezieht "...dass der tödlich Verletzte -und allein dieser- den Unfall herbeigeführt hat, indem er in Angriffsabsicht auf das rollende Fahrzeug zugelaufen ist, wegen des erheblichen Alkoholeinflusses die Situation nicht mehr beherrscht hat und so unter das Fahrzeug geraten ist". FR und Spiegel unterscheiden sich nur insofern, als dass sie diese absurden Theorien "nur" als möglich in Betracht ziehen. (siehe Spiegel Zitat- 2. Art.) Im Dezember bringt FDP-Arsch Otto die Möglichkeit, dass Günter bekifft gewesen sei ins Gerede - die FAZ greift dies natürlich sofort auf, quasi als Teil der Untersuchungen. PS und AZ sehen hier den sich verselbstständigenden Bullen-apparat, die psychologische Schulung und das daraus resultierende Feindbild (vom Demonstranten als potentiellen Bullenschlächter) , als Grund.

Laut TAZ sind zwar die Bullen klar verantwortlich für den Tod Günters, jedoch wird die Strategie nur am Rande erwähnt und die eigentliche Ursache auf die Forderung nach personellen Konsequenzen (Gemmer, Winterstein, Wallmann) reduziert . Die waidliehe Ausschlachtung der Psyche Reicherts dient ebenfalls lediglich der Verharmlosung. Nebenbei wird noch die Äusserung eines Grünen gebracht, der es verantwortungslos findet, solche psychisch labilen oder auch kranken Bullen in Führungspositionen zu belassen (psychologisch geschulte Ex-Apos wären dem Arsch wohl lieber). Herausfallen tut nur der zitierte Artikel des "ungeliebten" Klingelschmitt, durch einige diffamierende Startbahnartikel zu "Ruhm" gekommen.

zu 4.) Wer wird für die sogenannten Krawalle verantwortlich gemacht ?

Verantwortlich für die Krawalle in Frankfurt sind Chaoten, militante Startbahngegner , Anarchisten, Autonome, Streetfighter, Libertäres Zentrum und der "Schwarze Block", ist der Tenor durch das gesamte bürgerliche Pressespektrum hindurch.

FAZ, AN und Bild schiessen sich besonders auf die Start-bahnbewegung ein. Die FAZ sieht in den Sonntagsspaziergängen ein Trainigslager für unpolitische Schlägerchaoten. Die Bild spricht von Startbahnmilitanten, die unpolitische Schlägerhorden durch Frankfurts Strassen führt.

Die SZ holt schon in der Ausgabe vom 1.10. das Konstrukt "Schwarzer Block" aus der Repressionskiste (siehe Zitat). AZ, TAZ und PS sehen in den Krawallen die "Quittung für staatliches Rabaukentura" (Zitat PS), Bullenprovo und Wallmanns Versammlungsverbot als Auslöser, auf die "Streetfighter" und "Startbahn-Kids" blind reagieren.

zu 5.) Wie bringt die Presse Direkte- und Solidaritätsaktionen hier und in anderen Städten ?

Ein militantes Potential in der BRD, dass auf solche "Anlässe" vorbereitet (lt. Stern) ist, wie auch der Hungerstreik gezeigt hat. In den meisten Zeitungen werden Anschläge losgelöst von den Demos und anderen Massensolidaritätsbekundungen gebracht. Eine Parallele zu den Ereignissen, wird wenn überhaupt, nur angedeutet.

Die Solidaritätsaktionen in anderen Städten werden von unpolitischen Krawalltätern verübt - "ein Toter wäre den Chaoten gerade recht" (Zitat einer Schlagzeile). D.h. ein auf Militanz und Hirnlosigkeit basierendes Solidaritätsgefühl - oder was?. Die TASS spricht von durch Randalierern ausgeübten "Unruhen, Pogromen und Brandstiftungen", die Demos hierzu missbraucht hatten (Schelte statt Schecks-hä,hä). Auch hier bildet die TAZ eine Ausnahme (z.B. Berichterstattung von der Sa-Demo in HH-5.10.). Sie berichtet nicht hetzerisch und vor allem nicht nur von militanten Aktionen. Hervorheben tut sich der Anschlag bei "Benz" direkt nach Gün t e r s Tod, der in a 11 eb Zeitungen als Fakt auftaucht -die Vermittlung dieser Aktion erübrigte sich, Hess den Zeitungsschmierern keinen Raum für Spekulationen. Anbei eine Auflistung der "BRD-weiten Krawalle", wir danken der "Welt" für ihre Mühe! Nachzutragen ist die Solidaritätsaktion gegen die deutsche Botschaft in Kopenhagen.

zu 6.) Wird der Belagerungszustand als solcher geschildert?

Die Verantwortung für den Belagerungszustand/ Versammlungsverbot, wird in der bürgerlichen- und Boulevardpresse totgeschwiegen, bzw. scheint vollkommen normal zu sein (z.B. SZ). Die bürgerlichen Linken schaffen es zumindest,
Wallmann anzupissen und die TAZ erwähnt einmal sogar, dass es bei der Bullenführung so etwas wie ein Aufstandsbe-kämpfungskonzept gibt.

zu 7.) Darstellung und Bewertung der Bulleneinsätze .

Die oberbrutalen Bulleneinsätze in dieser Zeit, können einfach nicht unerwähnt bleiben, weil es eben nicht nur Demonstranten, sondern auch unbeteiligte Passanten und Reporter "erwischte" ("Falsches Feindbild"- Schlagzeile der AN). Sie werden aber nur als übergriffe, bzw. überreak-tionen einzelner Bullen dargestellt, mit viel Verständnis wegen ihrer angeblich psychi-schen und physischen über-belastung.

Die FAZ sieht die Bulleneinsätze mehr als gerechtfertigt, z.B. mit der Begründung das demokratische Grundrecht "der NPD auf politische Äusserun-gen, muss gegen unpolitische Krawalltater verteidigt werden". Die TAZ beschreibt das Auftreten der Bullen, als hart, brutal und zu massiv (Was wäre denn massvoll? d.S.). Begriffe wie Ausnahmezustand, bürgerkriegsähnlich sind wohl nur Eindrücke einzelner Reporter und solche Gedanken werden schnell wieder fallengelassen. In der Berlinausgabe wird wegen der Mo-Demo die Frage aufgeworfen, ob es sich hierbei nicht um eine geplante "Jungbullenübung" handelte. Die AZ und der PS sprechen vom masslos überzogenen, hochgerüsteten Bullenapparat, der den Ausnahmezustand probt (Vergleich mit chilenischen Verhältnissen AZ).

zu 8.) Welche Bedeutung wird der politischen Leichenfledderei in Parlamenten und Parteien beigemessen?

Je nachdem welcher politischen Richtung, wird der Tod von Günter Sare als Mittel benutzt dem politischen Gegner im Parlament eins "reinzuwürgen". Diese Leichenfledderei, in den von uns untersuchten Blättern (alle), nimmt dermassen krasse Formen an, daß man meinen kann der Anlass für diese "Schmierereien" war nicht der Tod eines Menschen, sondern ein großer parlamentarischer Scheißhaufen. Die Berichterstattung von dem was auf der Strasse passiert im Verhältnis zu obengenanntem, steht in keinerlei Relation.

zu 9.) Wie werden die Demonstranten dargestellt ?

"Der gestiefelte, behelmte Ungeist" (FAZ), "von Anpassungsschwierigen und Alltagsversagern" (Spiegel), "denen Mord und Bombenanschläge in ihr Konzept passen" (Stern), "und die sich an diesem Sterben berauschen" (Süd-Deutsche), "Die selbst dann antreten, wenn sie zu einer Demo bei einer Schokoladenfabrik aufrufen würden" (O.-Ton Winterstein bei Spiegel-Gespräch).

Das Absprechen jeglicher politischer Hintergründe und die Darstellung als eine kleine hirnlose Gruppe, geht durch die gesamte bürgerliche Presse, wie die 4 Beispiele oben zeigen.

Im Gegensatz dazu sehen die (bürgerlich) Linken Blätter (auch der Zeit-Artikel vom 18.10.85 beschrieben von K.p.K. und Cohn-Bendit; in dem von einem klaren Bruch zwischen Apos und uns gesprochen wird) schon einige politische Inhalte bei uns (z.B. Libertäres Zentrum - "Gallus-Anar-chos" sind Leute die überlegen. (TAZ)), spielen diese aber auf Grund des nicht vorhandenen Gesamtkonzeptes und unserer Unorganisiertheit, weit herunter (Idioten). Revolte ist altmodisch geworden (man hat ja jetzt die Partei), aber Verständnis hat man ja noch für die kids. (danke)

zu 10.) Welche politischen Forderungen sind enthalten?

Die konservative Presse spricht offen von langjährigem Einknasten, schärferen Gesetzen, Aufrüstung der Bullen, usw.usf.. Die liberalen Blätter möchten gerne den harten, unverbesserlichen Kern einge-knastet sehen, den Mitläufern und perspektivlosen Jugendlichen aber noch eine Chance geben.

"Unsere" linken Schöngeister pochen auf den parlamentarischen und/oder ausserparlamentarisehen Untersuchungsausschuß (TAZ, PS), auch sollten doch bitte schön personelle Konsequenzen in Politik und Polizei-Apparat gezogen werden (Köpfe rollen für den SIEG). Die Grüne Politik soll verstärkt werden (auf ein Maximum aufreizen, PS) und ein klares Rechtsstaatprogramm, mit dezi-diert formulierten Minderheitenschutz und klarer Absage an alle Bürgerkriegsmentalitäten wäre auch angesagt. (Ruhe im Zoo oder was?!)

Zur Auslandspresse:

Obwohl es uns natülich nicht möglich war die internationale Presse in ihrer Gesamtheit während dieser Tage zu verfolgen (schließlich hatten wir ja vor allem in diesen Tagen auch nach andere Sachen zu tun), glauben wir, daß wir selbst bei dem kleinen Ausschnitt der großen Palette gewisse Tendenzen feststellen können, die man bei unserer Presse nur schwerlich findet.

Grundlage für unsere Untersuchungen sind dabei Tageszeitungen aus Frankreich (L'HUMA-NITE, LIBERATION), Italien (IL MESSAGERO) und Spanien (EL PAIS). Was man nach dem Bearbeiten dieser Zeitungen im Gegensatz zur bundesdeutschen Presse, die uns ja mit Diffamierungen und Psychologisierun-gen förmlich überschüttete, übereinstimmend sagen ist, daß uns keine Zeitungen die politisch Moti-vatation, für das was wir auf der Straße zum Ausdruck gebracht haben auch nur : ringsten abgesprochen hat.

Während in der BRD-Presse das, woran sich die Auseinandersetzung hier entwickelt hat, sehr scbne11 in ein Gejammer und Gegeifer über unseren vor die Hunde gehenden Rechtsstaat und die Perspektivlosigkeit der Jugend mündete, war in der ausländischen Presse sehr viel zu lesen über die Auseinandersetzung mit dem Neo-Faschismus , über die Kontinuität anti-faschistischer Demos (IL MESSAGERO). Auch wird sich sehr genau mit den Fakten zum Tod Günters auseinandergesetzt- mit der Darstellung der Bullen im Gegensatz zur Aussage der Mutter oder der von unserer Seite. Was in diesem Zusammenhang besonders ins Auge sticht ist die Darstel-lung in der L'HUMANITE, in der einerseits offen von Mord gesprochen wird, andererseits mit dem Kommentar "Bilder aus der freien Welt" ein Photo von einer unserer Demos und einem einer Demo aus Südkorea gegenübergestellt wird. Die LIBERATION läßt im Zusammenhang mit der Steiwurfthese der Bullen den Verdacht anklingen, der Stein sei wenn überhaupt, dann erst später hingelegt worden. Auch berichtet sie von Behinderung der Ersthelfer durch die Bullen.

Diese Darstellung der Ereignisse und" unseres Widerstandes, geht bei dem IL MESSAGERO sogar soweit, daß er Stadtguerillaansätze unterstellt, bei der sich aber die Kontinuität anti-faschistischen Kampfes wie ein roter Faden durchzieht, das darf uns natürlich nicht zu der Annahme verleiten, daß bürgerliche oder linksliberale (LIBERATION; L'HUMANITE) Zeitungsmacher aus anderen Ländern auf einmal einen wundersamen Sinneswandel durchgemacht haben; - und das sollten wir nicht vergessen - die alten Wunden dort sind noch lange nicht verheilt und spätestens seit den Morden von Stammheim wissen viele Menschen dort, wie der Hase hier läuft.

Fazit

Im Gegensatz zu der "normalen" Informationsweitergabe in den Zeitungen allgemein, kann man bei manchen ganz klar erkennen, daß hier nur Profitsucht (hohe Auflagenzahlen) zählt. Reißerische Überschriften, Halbwahrheiten und Lügen mit so gut wie keiner relevanten Information dahinter. Ganz besonders fällt hierbei der STERN mit seinem "Chaoten-Interview", die BILD, AN und die Rundschau am Abend auf. Unsere Parolen erscheinen auf einmal in etwas abgeänderter Form und schon haben sie einen "klasse" Aufhänger; z.B. "Feuer und Flamme über diese Stadt" und unten drunter steht "Eine unglaubliche Parole", wirklich unglaublich.

Weiterhin fiel uns mal wieder klar auf, daß jede Partei (außer der FDP) ihr eigenes, überparteiliches und unabhängiges Parteiorgan hat. CDU-Politik kann man nachlesen und wird gemacht, wenn man die FA2 aufschlägt. (Sogar ziemlich rechte CDU-Politik.) Wenn man die Regierungserklärung von Holger Börner, die auszugweise in der Rundschau (FR. , 23.10 1985) abgedruckt war, liest und dann mit dem vergleicht, was vorher in der FR veröffentlich wurde, kann man nur eins feststellen: IDENTITÄT. Bemerkenswert ist weiterhin aß sowohl in der TAZ als auch' im PS nur Angriffe auf CDU-Wallmann zu lesen sind und nicht wie sonst und im Allgemeinen üblich auch das entsprechende Innenministerium angepißt wird. Wirklich sehr soft, wie das jeweilige Partei-Organ wegen der bevorstehenden Rot/Grünen Koalition mit dem "Partner" umzugehen pflegt.

Während der Wochen nach dem Tod von Günter Sare, hatten u.a. Leute vom Libertären Zentrum zwangsläufig viel mit der Presse zu tun.. Einiges hat dabei gut geklappt, aber es sind auch viele Fehler gemacht worden, die hauptsächlich darin liegen, daß zuwenig Erfahrung im Umgang mit PR-Leuten vorhanden war- Es erscheint uns wichtig, hier einiges dazu zu sagen, auch damit vielleicht andere diese negativen Erfahrungen nicht erst machen müssen.

Pressekonferenzen sind allgemein ein schlechtes "Geschäft". Man gibt bzw. bietet den Haien Informationen, mit denen sie dann machen was sie wollen; hat damit nur Ärger, ohne irgendwelchen Nutzen daraus ziehen zu können. Z.B. waren einige von denen zur Pressekonferenz gekommen, weil Günters Mutter anwesend war und sie sich erhofften, u.a. an Familienfotos heranzukommen, um das Privatleben der Familie und Günters aus-schlachten zu können. (Konnten sie aber vergessen. Die Mutter wurde von uns gut abgeschirmt) Auch wurde ein Quick-Reporter (allerdings mehr aus Zufall), der aus dem selben Grunde zu Günters Mutter in die Wohnung kam, wieder herausgeschmissen. (Hierzu noch: die Quick verlor auch ein Verfahren wegen falschen Zitierens im Zusammenhang mit dem Tod Günters, welches sofort eingeleitet wurde.) Die Abschirmung hat so gut ge-klappt, auch während der Beer-digungs-Demo und der Beerdigung selber, daß es der Presse nicht gelungen ist, Informationen über die Familie Sare und Günter herauszubekommen. Nur die vom JUZ-Bockenheim offiziell herausgegebene Darstellung Günters war für sie erhältlich, und wurde dann auch von vielen Zeitungen so übernommen. Da die Presse wieder einmal fast nur Mist verbreitete, wurden von allen, spätestens nach der ersten Pressekonferenz, die Konsequenzen gezogen. Egal wo und wer von ihnen offiziell auftauchte , ob im JUZ, Libertären Zentrum oder sonstwo, sie bekamen eine Abfuhr. Ein Info-Deal mit einzelnen PR-Leuten, was auch geschah, nämlich Info gegen Info, ist da viel besser.

Auch muß man dem plötzlichen Interesse von Fernsehen und Presse an Interviews mit Leuten aus unseren Kreisen mit Vorsicht begegnen. Nicht nur einmal kam es vor, daß ein Interview hinterher dermaßen zerstückelt und verdreht wurde, so daß von dem, was man eigentlich sagen wollte, nichts mehr übrig blieb. Im krassesten, uns bekannten Fall wurde noch ein einziger Satz übernommen, und der war auch noch nichtssagend. Die Konsequenz daraus wäre: entweder gar nicht erst ein Interview geben, oder, wie bei dem mit der LINKS, nur zur "Veröffentlichung freigeben", wenn gegengelesen werden kann.

Die Pressekarpfen von "linken" Blättern bzw. aus der linken Szene, sind übrigens keinen Deut besser. Die haben Leute van uns ein paar mal ganz schön bescnissen. Ein Beispiel : Da kommen so zwei Apo's nach der Eier-Veranstaltung ins Libertäre Zentrum, um sich nur mal so zu unterhalten, damit einmal über verschiedene Standpunkte geredet werden kann, und dann bringt Reinhard Mohr (PS), dieser Arsch, eine Story in der Jugendgewerkschaftszeitung RAN, wobei er ganz klar Bezug auf das "Gespräch" genommen hat. Der hat wohl gedacht, daß würde gar nicht bemerkt werden, stimmt auch fast; es war auch wirklich ein Zufall, daß jemand dieses Blatt in die Finger bekam. Wenn die Typen oder sonstige liberale Reformisten ein "Gespräch" oder Informationen wollen, und ihr seid einverstanden, dann aber nur noch gegen Cash. (Kohle haben sie genug - wir nicht.) Bleibt noch eine Sache, die uns leider wieder einmal aufgefallen ist, und erwähnt werden muß. Es ist ein Unding, daß immer wieder manche Leute dazu neigen, wenn sie ein Interview geben, ihre persönliche Meinung als Konsens vieler darzustellen. (Siehe z.B. bekanntes Stern-Interview.) Es dürfte doch wirklich nicht so schwer fallen, zu sagen "ICH MEINE...".

Nachdem wir nun ein wenig Kritik an den Medien geübt haben, wollen wir nochmal drauf eingehen, was wir unter Gegenöffentlichkeit verstehen und unsere Ansprüche formulieren.

Flugblätter sind weiterhin ein wichtiges Kommunikationsmittel. Sie lassen sich halt schnell schreiben und drucken - außerdem kosten sie nicht viel. Meistens ist es jedoch ziemlich schwierig, sie unter die Leute zu bringen. Wie schon bei den "Schilderungen der Ereignisse" erwähnt, hatten wir in Frankfurt, in der Woche nach Günters Tod, damit allerdings keine Probleme. Mann/Frau riß sie uns förmlich aus der Hand, vielleicht waren auch aus diesem Grunde die Info-Stände verboten. Sie (die Flugblätter) wurden vor allem in der Innenstadt, vor Fabriken und S-Bahnstationen verteilt. Darunter auch Flugblätter in mehreren Sprachen. Zu dieser Zeit haben wir auch den freien Sender "Radio Isnogud" vermisst.

Sehr wichtig waren Anlaufstellen wie das Libertäre Zentrum, JUZ-Bockenheim und auch die Mahnwache; hier gab es Flugis, Info-Wände, Stelltafeln usw.. Das Interesse an Information war sehr groß. Selbst knapp 2 Monate später bei einer Veranstaltung der hessischen Straf-verteidiger waren ca. 500 Leute dort. Dennoch reicht dieses auf Dauer nicht. Die Praxis muß aufgearbeitet werden, sollen dieselben Erfahrungen sich nicht ständig wiederholen. Hierzu trägt sicher diese Dokumentation bei, nur dauert es mit den Arbeits- (hier fehlt etwas im Original) Dokus meist 3 Monate und länger, bis sie endlich fertig sind. U.a. sind auch die Szene-Zeitschriften wie "Große Freiheit (HH)", "Wildcat (KA)", "S'Blättle (Stuttg.)", "Aktion (Ffm.)" usw., wichtig. Ihre Aufgabe kann auch nur bedingt sein, über Aktuelles zu berichten, da sie meist eh nicht aktue11 s ind. (S iehe neuste "Aktion".) Wichtig für diese Zeitungen ist, daß sie von der Bewegung kommen und von ihr getragen werden. D.h., Diskussionen über Artikel zu Papier bringen und ihnen zuschicken, u.a.. Ansonsten besteht die Gefahr, daß sie zum Selbstzweck verkommen und dannist es nur die logische Konsequenz , aufzuhören. (Bsp. "Krasse Zeiten - Graue Morgen" . )

Zum Schluß noch eine Anregung für alle: eine gute Möglichkeit , die Öffentlichkeit bei aktuellen Anlässen schnell zu informieren, wäre eine Zeitung aus 2, 3 oder 4 zusammengelegten Blättern, die nicht nur Infos über Ereignisse, sondern auch über unsere Inhalte und Arbeit enthält. Sowas könnte schnell gedruckt und billigst verkauft werden. Ein Beispiel wären dafür die Ausgaben der Aktion von 1980.

Für uns ist in diesen Wochen wieder ersichtlich geworden, daß die Presse im Aufstandsbekämpfungskonzept eine mehr oder weniger große Rolle bekommt bzw. freiwillig, übernimmt . Ohne hier eine Beweisführung zu machen, tauchten bei uns doch jede Menge Anhaltspunkte auf.

Es ist schon bemerkenswert, wie die Bullen und große Teile der Presse kooperieren. So werden Bullen-Infos einfach übernommen und als Fakt abgedruckt, ohne sie zu hinterfragen. (Bsp. Der Stein, den Günter angeblich direkt vor seinem Tod an den Kopf bekommen hat oder der Stock, mit Bullenberichterstattungen haben ja sowieso nur bestimmte, von den Bullen akkreditierte Reporter Zugang. Die Süddeutsche Zeitung, als Blatt, von dem bekannt ist, das es beste Beziehungen zu den Bullen hat, greift dann auch, bestimmt nicht aus Zufall, das Konstrukt des Schwarzen Blocks wieder auf. Hier möchten wir nochmals auf die Sache mit dem geplanten Versammlungsverbot an der Startbahn West eingehen. Ein "Tip" aus Wiesbaden und schon beginnt die Presse über Monate hinweg, den Boden für so etwas vorzubereiten.

"... Parallel zu der Zeit, als der alte "Vorfall" an der RWE-Trasse für einen Prozeß aufgearbeitet wurde, wurden die Vorbereitungen für ein Ver-samralungsverbot bekannt !Jan. 85). In der gesamten Presse wurde vor der offiziellen Ankündigung eines geplanten Verbotes nach jedem Sonntag von "schweren Krawallen am Startbahngelande" berichtet. So konnten wir z.B. von unserem "Sturmangriff" gegen den Betontunnel an der Okrifteler Straße in der Presse lesen, aber in Wahrheit waren wir nur dorthin gelaufen und die Polizei hatte weiträumig abgeriegelt und deshalb war die Straße stundenlang gesperrt. Von "auswärtigen Chaoten" war wieder zu lesen, vom trillerpfeifendem Klaus Malorny, und gleichzeitig erschienen Artikel, in denen die zunehmenden Sabotage-Aktionen gegen US-militärische Einrichtungen, Fahrzeuge und Infrastruktur in Hessen beklagt wurden. Mit dem Ruf nach "ausreichender Präsenz der Ordnungshüter und einer Gerichtsbarkeit, die Personenfeststellungen und Festnahmen nicht zur reinen Farce macht. (FAZ, 13.2.85)"..." (Zitat aus Politische Prozesse gegen Startbahngegner)

Der Punkt, der uns als wichtigster in diesem Zusammenhang erscheint, ist auch der, auf den wir die wenigsten konkreten Antworten geben können. Hie kam es zu dieser Art von Berichterstattung über die Toten im europäischen Herbst 85? Günter Sare in Frankfurt von einem WaWe überrollt. Cherry Groce wurde in Brixton bei einer Hausdurchsuchung erschossen. Der Student in Polen, welcher von den Bullen totgeschlagen wurde. Der Amsterdamer Hausbesetzer Hans Kok, den sie im Knast umbrachten und der Anarchist Michaelis Maltezis, der in Athen auf der Straße erschossen wurde. Wieso geht die Presse auf den Mord in Brixton, der parallel zu dem in Frankfurt verübt wurde, so ausführlich ein? Der Mord in Amsterdam 4 Wochen später wird dagegen total verschwiegen, obwohl jeder Zeitung AP- und DPA-Meldungen abrufbar zur Verfügung standen (Ausnahme die TAZ, aber auch sehr bescheiden)? Der Mord in Polen, in der Zeit dazwischen, wird voll ausgeschlachtet. Klar, das war ja auch "drüben" und somit ein gefundenes Fressen. Zu dem Mord in Athen Ende Oktober gibt es zwar wieder Meldungen, aber oberflächlich und falsch. Welche Art von Interessen stecken dahinter? Sind die verschiedenen (?) politischen Hintergründe dabei ausschlaggebend? Oder war das in Amsterdam zu früh (zeitlich gesehen) und nah? Hatten sie noch Angst, wir könnten uns mit den Kraakern solidarisieren (wie schon bei dem Häuserkampf 1980)?

Wie werden Bewegungen überhaupt dargestellt?

Es wird nur auf Erscheinungsformen, weniger auf die Inhalte eingegangen, dafür wird mehr verfälscht.

So wird z.B. unterschlagen, daß M. Maltezis zur anarchistischen Bewegung gehörte, die sich gerade unter der sozialistischen Regierung weiterentwickelt hat. Die Ereignisse von Brixton werden lediglich als Rassenunruhen verkauft, wohingegen der allgemeine soziale Aspekt nahezu völlig außer Acht gelassen wird.

Es lohnt sich bestimmt, über diese und andere Fragen, weiter nachzudenken.

Gerade noch, dass sensationslüstern über den einkalkulierten Tod von Günter Sare berichtet wird. Genausowenig, wie dieser Tod die Verantwortlichen für die Polizeieinsätze zur Besinnung bringt, haben die Berichterstatter der Groschenblätter ein Einsehen.

Sie schmieren weiter: "Blutnacht", "Berufsdemonstranten" , "Randalierer", "Chaoten", "Plünderungen". Karikaturen erscheinen, in denen Demonstranten mit Ratten verglichen werden. Wer so vorgeht, wer so Berichterstattung betreibt, der geht auch über Leichen.

Liegt da nicht nahe, dass das, was zur Hetze noch fehlt selbst organisiert wird?

Die geschilderten Vorfälle im Gallus legen diese Vermutung nahe!

Alternative Counter?

PS: Dieses "Linke" regionale Magazin (gemeint ist der Pflasterstrand, Anmerkung antifa-frankfurt.org) ist von Anfang an Sprachrohr der Spontigrößen gewesen (und wurde von ihnen gegründet). Es war der Anfang(?) einer neuen "Ära(?)", eine Art sich rein zu waschen, die darauf hinauslief, die alten (theoretischen) Konzepte über den Haufen zu werfen, und ihre Schäfchen zurück in den Stall (eine "psychische Schlachtbank" für viele, die mit dem Verrat an einer ganzen Bewegung/Idee nicht zurecht kamen) zu führen.

Die feinen Schwingungen der Gewaltspirale erreichten "unsere Größen" erstmalig nach dem Sturm auf das spanische Konsulat, der im PS.222 als Scheidepunkt genannt wird. Hier war zum ersten Mal die Unkontrolierbarkeit einiger Leute zu spüren, die bei der Ulrike Meinhof-Demo erneut ausbricht, und nun auf die Spontigrößen einen unberechenbaren Schatten wirft. Aber auch der Schatten des Geiers wirft sich über die Spontis, es wird kalt, ein Herbst, der Fronten klarer macht. Tausche Waffen gegen Stein und Stein gegen Wahlzettel (76-85). Die traurige Entwicklung einer Bewegung. Die Angst der "Größen" vor den Konsequenzen (wie krieg ich die Geister, die ich rief, wieder los) endet mit dauernden Angriffen gegen RAF, 2.Juni und vor allem RZ und zum anderen, für den Ausstieg aus dieser Szene (z.B. Klein-Klein), zu werben bzw. vorran zu treiben, um Soli- und Nachahmungseffekte auszutrocknen. Als Alternative werden Lobeshymnen auf die kommende grüne Republik gesungen und den Leuten jahrelang REVOLTE IS OUT - REAL IS IN, eingehämmert.

Nach dem Tod von Günter Sare findet zum xtenmal eine Wiederaufführung der Geschichte statt, die mit Absagen, Reformen und Wiedereingliederung auf dem "Spielplan" lockt. Desperados, Materiel-Elende usw., sollen nicht zum Denken kommen, sich nicht das Holen, was ihnen sowieso gehört. (Es könnte ja den eigenen Laden, Bank oder sonst was treffen). überhaupt soll nur Grün gedacht werden; system/staatstragend, ...wir schleppen Fischer, Schilly usw. auf dem Rücken und was wir nicht sehen, Börner und Kohl reiten mit, eine Last, die den Leuten das Rückrat bricht. Also haben sich PS, TAZ, bzw. die Spontis angepasst?? Nein, sie sind ein Teil vom System geworden (manche waren es wohl immer), haben sich ein "großes" Stück von der Sahnetorte ergattert (ich hätte gern das Schwarzwälderkirschstück, da ist rot und schwarz drin, daß läßt sich besser an unsere Leute verkaufen). Und das System hat es gern abgegeben, für den Preis der Regulierbarkeit einer ganzen Bewegung und derjenigen die noch kommen oder unter den Fitichen der Grünen aufwachsen.

Eine Counterstrategie, ein Aufstandsbekämpfungskonzept???! Die Antwort überlasse ich euch selbst. Wer aber mit offenen Augen und Ohren durch Blätterwald und Straßen geht, wird sehen, Brixton, Transval, Frankreich rücken näher. Sorgen auch wir dafür, daß den grünen Alt-Spontis ihre Vergangenheit immer näher rückt! Bleibt mir zum Schluß nur noch zu sagen "Gott schütze mich vor meinen Freunden, mit meinen Feinden werde ich fertig" (MESRINE).

Ein Bewegungs-Oldie

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