Bereits im Vorfeld des geplanten Naziaufmarsches der NPD am gestrigen Samstag wurde der interne Mail-Verteiler der Nazis gehackt und am Vorabend die Nachricht lanciert, dass die Demo abgesagt wäre (Dementi der Nazis einige Stunden später auf altermedia).
Gehackt wurde ebenfalls der interne SMS-Verteiler der Nazis, mithilfe dessen sie vor Anreise teilweise in die Irre bzw. an unvorteilhafte Punkte geführt werden konnten.
Morgens wurde durch Feuer an laut Bundespolizei sechs Signalanlagen von S-Bahnlinien aus dem Südosten, Osten, Nordosten und Norden in Richtung Frankfurt die Anreise der Nazis massiv gestört – der geplante erste Sammelpunkt der Nazis in Bad Soden musste abgesagt werden und der Sachschaden betrug nach Angaben der Bundespolizei geschätzte 300 000 Euro.
Bereits am Morgen hatte die Polizei, die mit 8000 Beamten und einem ausgedehnten Fuhrpark im Einsatz war, das Gebiet um den Industriehof weiträumig abgesperrt und unter Aufbietung von Panzersperren, Stacheldraht und Absperrgittern die Stadtteile Hausen und Bockenheim voneinander isoliert. ‚Dass die Polizei 8000 Beamte beschäftigen musste und zudem den öffentlichen Nahverkehr im Westen der Stadt außer Betrieb setzte macht deutlich, dass Nazis in Frankfurt nur im Ausnahmezustand marschieren können’, erklärte Antifa-Sprecher Lars Mertens.
Die Ankunft der Nazis am Ort ihrer Auftaktkundgebung in der Nähe des Westbahnhofs unter der Breitenbachbrücke verzögerte sich um mehrere Stunden, weil AntifaschistInnen an mehreren Stellen die S-Bahn-Linien in dieser Richtung besetzten – wie zum Beispiel in Rödelheim, wo über hundert Menschen festgenommen wurden oder an der Messe, wo es mehreren hundert Menschen gelang, für etwa eine dreiviertel Stunde die Gleise zu besetzen bevor die Polizei diese räumte, wobei sie auch massiv gegen alte Menschen vorging. Von der Bockenheimer Warte zog eine Gruppe bis zur Galluswarte, wobei sie mehrfach Polizeiketten durchbrach.
Immer wieder wurden in Bockenheim und Rödelheim kleinere Gruppen von Nazis nach Hause geschickt, im Bahnhofsviertel wurde eine größere Gruppe angegriffen. Hier ging die Polizei auch mehrfach massiv gegen Antifas vor, wobei hier und anderen Stellen mehrere Menschen verletzt wurden.
Den Kundgebungsort im Industriehof erreichte ein Großteil der Nazis schließlich nur, weil die Deutsche Bahn ihnen im Hauptbahnhof eine Sonder-S-Bahn zur Verfügung stellte. Dieser Zug wurde unterwegs von AntifaschistInnen angegriffen und beschädigt. Ebenso wurden die schließlich marschierenden Nazis Ziel von Wurfgeschossen; beispielsweise am Fischstein, wo sich zeitweise knapp 1000 AntifaschistInnen aufhielten bis sie von der Polizei abgedrängt wurden.
Als die Nazis ihren Aufmarsch begannen setzten sich zwei Blockadepunkte mit insgesamt knapp 1000 Menschen in Bewegung, um in Richtung Innenstadt zu demonstrieren, wohin sie ihre Wut über den von der Polizei durchgesetzten Aufmarsch tragen wollten. Hierbei wurden Parolen wie „Nazis morden, der Staat schiebt ab!“ gerufen, sowie im Verlauf der einen Demonstration mehrere Scheiben am Verwaltungsgericht in der Adalbertstraße eingeworfen. Im Westend kam es zwischen dieser Gruppe und der Polizei zu Auseinandersetzungen, bei denen einige Müllcontainer in Brand gesetzt wurden. Die Polizei ging – wie öfter an diesem Tag – mit Schlagstöcken gegen demonstrierende Antifas vor.
Im Anschluss an die Demonstration kam es im Hauptbahnhof noch zu Auseinandersetzungen zwischen Antifas und abreisenden Nazis.
‚Um es noch einmal deutlich zu sagen: Erst der unverhältnismäßige Einsatz von 8000 Polizisten ermöglichte in Frankfurt einen Naziaufmarsch. Der Staat hat mit einem Großaufgebot und massiver Repression seine Macht demonstriert, aber darunter ist ein Aufmarsch von mehreren hundert Nazis in dieser Stadt nicht durchsetzbar’, resümierte Sprecher Lars Mertens.
Das habe zudem der aktive Einsatz von 3000 AntifaschistInnen deutlich gemacht, die sich nicht in gute und böse Antifaschisten haben spalten lassen, sondern entsprechend der vorangegangenen Kooperation zwischen Anti-Nazi-Koordination und Antifa Koordination gemeinsam versuchten, den Aufmarsch zu verhindern und die auch dem Römerbergbündnis eine Absage erteilten, das sich mit nur 1500 TeilnehmerInnen fernab der Nazis gefiel. Nur ein Antifaschismus der nicht bei Lippenbekenntnissen und Strafgesetzbuch endet, kann erfolgreich sein.
Mertens weiter in Bezug auf die Nazis: ‚Dass sie die ‚Frontstadt Frankfurt’ gestürmt hätten, lässt sich nach diesem Tag kaum sagen – sie mussten massiv beschützt werden, machten sich auf der Route mit Sitzstreiks lächerlich und insgesamt bleibt die Teilnehmerzahl von 600-700 weit hinter den selbst formulierten Erwartungen zurück. Hier zeigt sich eine deutliche Mobilisierungsschwäche von Marcel Wöll (Vorsitzender der Hessen-NPD).’
‚Wir haben im Vorfeld darauf hingewiesen, dass Nazis Bus und Bahn benutzen. Die Bahn hat das wahr gemacht, einen Sonderzug bereitgestellt und damit im Nachhinein noch einmal gezeigt, dass geschätzete 300 000 Euro Sachschaden nicht die Falschen getroffen haben – ein Naziaufmarsch in Frankfurt ist und bleibt eine teure Angelegenheit’, so Mertens.
Abschließend hieß es von der Antifa Koordination: ‚Wir werden den Nazis auch im Alltag keine Ruhe lassen, sondern begreifen den gestrigen Tag eher als Startsignal für eine Verstärkung antifaschistischer Aktivitäten in der Region.’
Erst einmal: Vielen Dank an all die Auswärtigen, die nach Frankfurt gekommen sind!
Die Teilnehmerzahl auf unserer Seite blieb aber leider insgesamt hinter unseren Erwartungen zurück. Zudem gelang es leider kaum, mit unserer Infostruktur dafür zu sorgen, dass größere Gruppen mit Infos und Tipps erreicht wurden.
Unser Konzept ist an diesem Tag nur bedingt aufgegangen: Zwar gab es die massiven Eingriffe in die Anfahrt der Nazis, aber insbesondere Plan B – der Versuch, den Protest in die Innenstadt zu tragen während die Nazis marschieren – verlief bei weitem nicht so erfolgreich wie gedacht.
Unterm Strich muss man jedoch – insbesondere vor dem Hintergrund der 8000 Bullen (so viele waren’s nicht mal an der Startbahn) – sagen, es sind viele relativ erfolgreiche Sachen gelaufen. In Frankfurt gibt es keinen größeren Naziaufmarsch ohne den Sondereinsatz von Bahnen und ohne mehr als massiven Polizeischutz – eben nur im Ausnahmezustand