Hanau/Main-Kinzig-Kreis. Das Regierungspräsidium Darmstadt (RP) scheut offenbar keine Kosten, wenn es um die Durchsetzung der Abschiebung von Serif Akbulut aus Schlüchtern geht. Herr Akbulut hatte bisher drei Abschiebeversuche durch verbalen Widerstand verhindert. Bei der Verhandlung am vergangenen Montag über die Fortdauer der Abschiebehaft des 20jährigen Kurden vor dem Hanauer Landgericht erklärten die Richter, sie hielten die vom Amtsgericht erlassene Haftverlängerung von drei Monaten für unverhältnismäßig. Daraufhin kündigte das RP an, die Abschiebung innerhalb von zweieinhalb Wochen mit einem Privatjet durchführen zu wollen. Kosten: etwa 25.000 Euro.
„Das Regierungspräsidium scheut offenbar keine Kosten, wenn es um die Abschiebung von Flüchtlingen geht. Das ist Abschiebung um jeden Preis,“ kommentiert Herwig Putsche, Sprecher des Hanauer Bündnisses für Bleiberecht diese Entwicklung, „und ein schon grotesk anmutendes Machtspiel auf Kosten der Menschlichkeit: kurz vor einer kommenden Bleiberechtsregelung wird ein gut integrierter junger Mann mit einem Privatjet noch schnell außer Landes geschafft.“
Verantwortlich sei letztlich der hessische Innenminister Volker Bouffier, der einerseits eine Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Flüchtlingsfamilien fordere, die ihm unterstellten Behörden aber angewiesen habe, diese Menschen „gnadenlos abzuschieben.“
Im Fall Akbuluts und seiner kranken Eltern ist eine Petition beim Hessischen Landtag anhängig. Diese wird mittlerweile von so vielen Menschen unterstützt, dass auf der Webseite des Petitionsausschusses eigens eine „Information zur Petition für Familie Akbulut“ veröffentlicht wurde. In der Regel werden Abschiebungen während einer laufenden Petition ausgesetzt. Nicht so im Fall von Serif Akbulut: auf Antrag des hessischen Innenministeriums auf Durchführung eines „Eilverfahrens“ entschied der Petitionsausschuss mit den Stimmen von CDU und FDP, dass Akbulut dennoch abgeschoben werden könne.
Das Bündnis für Bleiberecht kämpft weiter für die Familie Akbulut und 17 andere geduldete Familien im Main-Kinzig-Kreis. Putsche und seine Mitstreiter/innen rufen nun Funktionsträger in der hessischen Politik und Gesellschaft dazu auf, auf das Regierungspräsidium sowie das Innenministerium mäßigend einzuwirken und "diesen Irrsinn" endlich zu stoppen.
Zusätzlich seien 20.000 Postkarten gedruckt worden, von denen die Hälfte bereits verteilt sei. Adressat: der hessische Innenminister. Er wird gebeten, „dafür zu sorgen, dass der 20jährige Kurde Serif Akbulut aus der Abschiebehaft entlassen wird.“ Und: „Stoppen Sie die Abschiebung geduldeter Flüchtlinge bis zur angekündigten Bleiberechtsregelung!“ Link
Zu diesem kostenintensiven Mittel wird in der Regel nur dann gegriffen, wenn den Behörden eine Abschiebung mit Passagiermaschinen auch nach mehreren Versuchen nicht gelingt. Ein Vorreiter war die Stadt Hamburg. So schob die dortige Ausländerbehörde im Jahr 2000 einen Liberianer ab, die eigens für ihn und die begleitenden Polizisten gecharterte Maschine kostete damals 71.000 DM. Zuvor waren bereits drei Flüchtlinge aus Gambia mit einem Privatjet für 108.000 DM abgeschoben worden, es folgten Flüge nach Afrika für 115.000 und 83.500 DM. Als Rechtfertigung für diese immens teuren Maßnahmen dienen meist Hinweise auf Straftaten der Abgeschobenen.
Das Land Hessen hatte vor einigen Jahren zwei Kleinmaschinen geordert, die zwei Familien von Staatenlosen aus Rumänien vom Flughafen Kassel-Calden befördern sollten. Kostenpunkt 15.000 DM pro Maschine. Aufgrund der großen Unterstützung der Familien durch die Bevölkerung wurde das Vorhaben in letzter Minute gestoppt.
Im bisher spektakulärsten Fall einer Abschiebung mit Learjet wurde der islamische Sektenführer Metin Kaplan 2004 für 26.000 Euro über den Flughafen Düsseldorf in die Türkei abgeschoben. Ihm waren Morddrohungen und „Hasspredigten“ vorgeworfen worden.