Chronologie des Kampfes um das Bleiberecht der Familie Akbulut

Samstag, 1.Juli 2006 – Demonstration anlässlich der Fußball-WM in Frankfurt. Einer von 10 Hanauer Jugendlichen, die auf der Demo sprechen, ist Serif.

Samstag/Sonntag, 1. und 2. Juli 2006 – Antirassistisches Fußballturnier in Frankfurt-Rödelheim. Das Team „Bleiberecht Hanau“, zu dem auch Serif gehört, gewinnt das Turnier.

Montag und Dienstag, 3. und 4.7.2006 – Aktionstage an der Katharinenkirche an der Hauptwache in Frankfurt für ein Bleiberecht für Familie Akbulut und alle geduldeten Flüchtlinge.

Donnerstag, 6.7.2006 – abends trifft sich das Bündnis für Bleiberecht zum Thema Arbeitserlaubnis. Serif fährt danach nach Hause. Was wir da noch nicht wissen: der Eilantrag gegen die Ausweisungsverfügung, begründet mit dem dramatisch verschlechterten Gesundheitszustand der Mutter, wurde am selben Tag abgelehnt.

Freitag, 7.7.2006 – gegen 6:30 Uhr wird Serif abgeholt und zunächst nach Hanau ins Polizeipräsidium gebracht. Um 9:15 Uhr versammeln sich etwa 20 Leute aus dem Bleiberechtsbündnis dort, um gegen seine Abschiebung zu protestieren. Er ist aber schon auf dem Weg zum Flughafen. Um 11:45 Uhr soll er mit einem Flieger der Turkish Airlines abgeschoben werden. Serif wehrt sich gegen die Abschiebung. Der Pilot weigert sich daraufhin ihn mitzunehmen. Gegen 12:30 Uhr ruft er an und sagt, er werde jetzt nach Offenbach in den Abschiebeknast gebracht. Die Mobilisierung zu einer Protestkundgebung startet. Am späten Abend stellt sich raus, dass er nicht in Offenbach, sondern in Preungesheim sitzt.

Samstag, 8.7.2006 – 11 Uhr Kundgebung vor der Preungesheimer JVA: ca. 100 Leute, davon zahlreiche FreundInnen, die Familienangehörigen, sein Fußballverein und viele, die ihn in den vergangenen Tagen bei den Protestaktionen kennen gelernt haben. Die Stimmung ist geladen, viele weinen, sind wütend. Durch Zurufe können wir uns mit Serif und den anderen Gefangenen in der JVA verständigen.
Am späten Abend wird er daraufhin nach Wiesbaden verlegt.

Sonntag 9.7.2006 – wir überlegen weitere rechtliche Schritte, eine Fax- und E-Mail-Kampagne Richtung Regierungspräsidium Darmstadt (direkt verantwortlich für die Abschiebung) und Verwaltungsgericht (wo ein Eilantrag gegen die Abschiebung läuft) beginnt. Offener Brief an den hessischen Innenminister Bouffier.

Montag, 10.7.2006 – das Hanauer Stadtparlament beschließt einstimmig einen Appell an das hessische Innenministerium für einen Abschiebestopp für langjährig Geduldete, die unter eine mögliche Bleiberechtregelung im November fallen könnten. Stadtrat Frodl (CDU) sichert zu, dass die Hanauer Ausländerbehörde ihr „Ermessen“ zugunsten der sieben Hanauer Familien aus dem Bleiberechtsbündnis ausüben werde.

Dienstag, 11.7.2006 – 12:30 Uhr Kundgebung vor dem Regierungspräsidium Darmstadt. Etwa 40 Leute fordern einen sofortigen Abschiebestopp für Serif und alle langjährig Geduldeten.

Mittwoch, 12.7.2006 – erster Besuch bei Serif in der JVA-Wiesbaden. Er wirkt blass und dünn, ist aber immer noch in der Lage zu lachen.

Donnerstag, 13.7.2006 – Kundgebung am Frankfurter Römerberg von Stadtschülerrat, Jugendlichen ohne Grenzen u.a. unter dem Motto „Hier geblieben!“ – Anlass ist die zunehmende Bedrohung vieler langjährig geduldeter Jugendlicher, die nur bis zum Schuljahresende bleiben dürfen. Auch Serifs drohende Abschiebung wird dort in Redebeiträgen thematisiert.

Freitag, 14.7.2006 – der Kreistag des Main-Kinzig-Kreises beschließt ebenfalls einen Appell an das hessische Innenministerium für einen Abschiebestopp. Ein Zusatzantrag für ein Bleiberecht der Familie Akbulut wird allerdings mehrheitlich abgelehnt.

Samstag, 15.7.2006 – Fatma Akbulut wird in die psychiatrische Abteilung der  Main-Kinzig-Kliniken in Schlüchtern eingeliefert. Aufgrund der Abschiebeandrohung gegen sie und der Inhaftierung ihres Sohnes hat sie mehrere Zusammenbrüche erlitten. Sie wird als stark suizidgefährdet eingeschätzt. Auch Ali Akbulut wird aufgrund seines verstärkten stressbedingten Asthmas in der Klinik ambulant behandelt.

Montag, 17.7.2006 – Fatma Akbulut flieht aus Angst vor zwei Polizisten aus der Klinik. Sie erleidet eine weitere Panikattacke.

Dienstag, 18.7.2006 – Mehrere UnterzeichnerInnen reichen eine weitere Petition beim Hessischen Landtag ein. Hauptgründe: der verschärfte Gesundheitszustand der Eltern Akbulut, v.a. der lebensbedrohliche Zustand der Mutter sowie die Integration von Serif.  -  9:30 Uhr Proteste mit 20 Leuten vor dem Hanauer Landgericht anlässlich eines Haftprüfungstermins.

Mittwoch, 19.7.2006 – zweiter Besuch bei Serif in der JVA-Wiesbaden: „Holt mich endlich hier raus!“

Donnerstag, 20.7.2006 – 18 Uhr Kundgebung vor der JVA-Wiesbaden mit ca. 70 Leuten organisiert vom Wiesbadener Flüchtlingsrat.

Freitag, 21.7.2006 – Serif soll um 20:20 Uhr mit einem Flug der ungarischen Airline Malev vom Frankfurter Flughafen aus abgeschoben werden. Die Mobilisierung läuft an. Gegen 16 Uhr erfahren wir, dass die Abschiebung ausgesetzt ist. Die zuständige Richterin wird über einen weiteren Eilantrag erst Anfang kommender Woche entscheiden.

Montag, 24.7.2006 –Auf mehrfaches Drängen beim SPD-Kreisdezernenten Andre Kavai wird beim Kreisgesundheitsamt eine Untersuchung von Fatma Akbulut durchgeführt. Eine "sensible und engagierte" Untersuchung, die auch die vorliegenden fachärztlichen Gutachten zu Traumatisierung einbezieht, war von Kavai ausdrücklich zugesagt worden. Doch wie später in einem Briefwechsel zwischen Ausländerbehörde Gelnhausen und Gesundheitsamt deutlich wird, reduziert sich das Ganze auf eine bestellte Flugtauglichkeitsbescheinigung. Dr. Schubert, der ausführende Arzt, will von Traumatisierung nichts wissen und attestiert die Reisefähigkeit. In einer Presseerklärung wird diese Untersuchung scharf kritisiert, und bekommt kurz darauf Unterstützung vom Menschenrechtsvorsitzenden der Landesärztekammer (siehe unten).

Dienstag, 25.7.2006 – ein weiterer bereits gebuchter Flug verfällt, da der Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht noch nicht entschieden ist.

Montag, 31.7.2006 – Der Eilantrag gegen Serifs Abschiebung wird vom Frankfurter Verwaltungsgericht abgelehnt.

Donnerstag, 3.8.2006 – dritter Besuch (diesmal als Sonderbesuch begleitet von gleich zwei Gefängnispfarrern) bei Serif in der JVA-Wiesbaden. Erneut entscheidet er, weiterzumachen und sich nicht abschieben zu lassen. Seine Haftbedingungen sind mittlerweile schlechter geworden, da die 1,5 Stunden Umschluss zusätzlich zu der Stunde Hofgang wegen Grundreinigung der Haftanstalt in den nächsten Wochen gestrichen sind. Das bedeutet für ihn wieder 23 Stunden allein in der Zelle.

Samstag, 5.8.2006 – Serif schreibt an seine UnterstützerInnen: „P.S.: Wenn ihr es nicht schafft mich hier rauszuholen habt ihr trotzdem für mich gewonnen. Ihr seid in meinem Herzen schon Sieger. Ich hoffe wir packen das. Bis bald.“

Montag, 7.8.2006 – Der Menschenrechtbeauftragte der Landesärztekammer äußert sich zum Verlauf der gesundheitsamtlichen Untersuchung von Fatma Akbulut: „Diese Untersuchung, durchgeführt vom Amtsarzt Dr. Schubert im Auftrag der Ausländerbehörde in Gelnhausen, entspricht nicht im Mindesten den Richtlinien der Hessischen Landesärztekammer“. Das Bleiberechtsbündnis fordert weiterhin eine unabhängige Untersuchung.

Dienstag, 8.8.2006 – 20:45 Uhr zweiter Abschiebeversuch, diesmal mit der slowenischen Adria Air und mit Sicherheitsbegleitung. Wieder widersetzt sich Serif im Flugzeug seiner Abschiebung, indem er aufsteht und darauf besteht, den Piloten zu sprechen. Dieser verweigert daraufhin die Beförderung.

Mittwoch, 9.8.2006 – vormittags: vierter Besuch wieder in der JVA-Wiesbaden. Serif ist nach dem zweiten Abschiebeversuch am Vortag relativ gefasst und bestätigt erneut, sich weiter wiedersetzen zu wollen, mit der minimalen Hoffnung, dass die Haftprüfung zu seinen Gunsten ausfallen könnte. Abends berichtet das Hessenfernsehen ausführlich über Serifs Fall, der Bericht lässt Serifs Angehörige zu Wort kommen und bringt eindrucksvolle Bilder von Serifs Fußballverein, wo er sichtlich fehlt. Auch am kommenden Tag wird mehrfach im Fernsehen berichtet.

Donnerstag, 10.8.2006 – acht Pfarrer aus dem Main-Kinzig-Kreis wenden sich in einem offenen Brief an das hessische Innenministerium: „Wir sind entsetzt darüber, dass Serif Akbulut wie ein Verbrecher im Gefängnis festgehalten wird, nur weil er sich weigert in ein Land zurückzukehren, das nicht mehr seine Heimat ist.“ Sie sprechen sich für einen Abschiebestopp für langjährig geduldete aus und fordern, dass Flüchtlingen die Arbeitserlaubnis nicht verweigert werden dürfe, wenn gleichzeitig gefordert werde, dass sie für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen sollen.

Freitag, 11.8.2006 – 8:45 Uhr dritter Abschiebeversuch, erstaunlicherweise mit einem Linienflug der Lufthansa. Dieser Abschiebeversuch verläuft seitens der begleitenden Bundespolizisten gewaltsam. Serif wird mit Klettbändern an den Händen gefesselt an Bord gebracht, der Pilot sagt ihm gegenüber im Gespräch, er werde ihn trotz seines Protestes befördern. Serif weigert sich erneut sich zu setzen und ruft laut um Hilfe. Ein begleitender Arzt ignoriert die seitens des BGS erfolgende Gewalteinwirkung, wird aber später Hämatome an Hals und Fingern attestieren. Die Abschiebebeobachtung sieht ebenfalls blau angelaufene Finger, als Serif wieder aus dem Flieger gebracht wird.
Freitagnachmittag: Das Regierungspräsidium Darmstadt stellt Antrag auf Haftverlängerung: beantragt werden weitere sechs Monate Haft. Das RP begründet dies mit Serifs Widerstand. Daher sei eine Abschiebung wohl nur noch in einem Charterflug denkbar.

Montag, 14.8.2006  - eine zweitägige Faxkampagne an das Regierungspräsidium Darmstadt beginnt, gefordert wird die Rücknahme des Antrages auf Haftverlängerung.

Mittwoch, 16.8.2006 – Haftprüfungstermin vor dem Amtsgericht in Schlüchtern. Offensichtlich um Proteste zu behindern wurde der Termin auf 7 Uhr morgens festgesetzt. Das Bleiberechtsbündnis kündigt trotzdem eine Mahnwache für 6:30 Uhr an. Ausgang ungewiss…

Siehe auch
Abschiebestopp und Bleiberecht für Serif Akbulut - Zusammenfassung
Serif Akbulut verhindert auch 3ten Abschiebeversuch mit Lufthansa
Presseerklärung zum zweiten Abschiebeversuch Serif Akbuluts
Solidaritätskundgebung mit Serif Akbulut in Darmstadt
und Freiheit und Bleiberecht für Serif Akbulut!

Weitere Informationen gibt es bei Freiheit für Serif

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