Auswertung der antifa [f] zur Demonstration „Für die Universalität der Menschenrechte – Für eine Säkularisierung der Gesellschaft!“
An der Demonstration beteiligten sich etwas mehr als 80 Leute. Nicht viel, aber angesichts der kurzen Mobilsierungszeit und der inhaltlichen Auseinandersetzung im Vorfeld vielleicht ein erster Schritt für eine Praxis gegen Islamismus und Rassismus. Wie notwendig diese ist, zeigen schon zwei kleinere Vorfälle am Rande der Demo.
So wurden zwei jüngere iranische Genossinnen zu Beginn der Demo an der Konstablwerwache von einer Gruppe von ungefähr 10 Jugendlichen, die nach eigenem Bekunden ebenfalls einen moslemischen Hintergrund hatten, sexistisch beleidigt und ihnen wurde vorgworfen als Frauen überhaupt an einer Demonstration teilzunehmen, obwohl „der Koran“ dies doch verbiete. Ausserdem wurde behauptet, dass Frauen "Bürger 4. Klasse" sein müßten. Auf Widerspruch hin wurden sie aggressiv, bezeichneten die Demonstranten als Juden und drohten damit sie „abzustechen“. Nur das sehr besonnen Verhalten der Demonstranten hat hier eine Eskalation verhindert, die aus antifaschistischer Sicht ohne Zweifel angebracht gewesen wäre.
Während der Demonstration kam es dann auch noch mehrfach zu rassistischen Beleidigungen durch einen kleinen Teil des Shopping-Publikums auf der Zeil. Mit Sprüchen wie „die sollen erst mal richtig deutsch lernen“ oder „warum haben die überhaupt ein Recht hier zu demonstrieren“ wurden die Plakate und Flyer der iranischen GenossInnen mehrfach quittiert.
Nicht zuletzt der Verlauf der Demo zeigt, dass die Vorwürfe hier würde an einer antimuslischen Querfront gearbeitet, Unsinn sind. Alle RederInnen und viele Plakate sprachen sich gegen Rassismus und auch gegen die deutschen Ausländergesetze aus. In vielen Diskussion vorher und nachher wurde sich von den iranischen Genossinnen explizit davon distanziert, den Islamismus zum alleinigen, bzw. Hauptproblem zu erklären.
Wir haben in unserem Redebeitrag die (nach eigener Aussage unwissentliche) Zusammenarbeit von einigen Vertretern des „Kommitee gegen Steinigung“ mit Rechten und Rechtspopulisten kritisiert und dafür viel Zustimmung geerntet (Rede siehe Anhang). Es ist abzuwarten, in wie weit daraus langfristig Konsequenzen gezogen werden und ob prominente Vertreter der API, wie Mina Ahadi, also in Zukunft ihre antifaschistische Orientierung über die Chance auf Öffentlichkeit stellen.
Wenngleich nicht von der Hand zu weisen ist, dass das weitgehende Desinteresse der deutschen an der exiliranischen Linken und deren, biographisch durchaus nachvollziehbare, Fixierung auf die Bewegung des politischen Islam seinen Teil zu deren teilweisen Instrumentalisierung durch rechtspopulistische „Islamkritik“ beigetragen hat, muss die kritische Auseinandersetzung damit auf jeden Fall weitergehen. Eine solidarische Kritik kann die unterschiedlichen Perspketiven, die sich bei einigen iranischen Genossinnen z.B. aus aus dem Erlebnis der direkten Verfolgung im Iran speisen, sicherlich nicht ganz irgnorieren. Ein Zusammenarbeit auf Augenhöhe setzt aber gerade auch die kritische Auseinandersetzung vorraus
Das Problem liegt schließlich tatsächlich nicht darin, dass etwa das „Komitee gegen Steinigung“ oder die „Arbeiterkommunistische Partei des Iran“ selber rechte Positionen vertreten würden. Schlimmstenfalls lassen sich die Positionen einiger Mitglieder wohl als bürgerlich-liberal bezeichnen. Das Problem liegt vielmehr in unterschiedlichen, strategischen Perspektiven innerhalb dieser Organisationen. Deutlich wird das z.B. anhand der auf der Demo von einer Vertreterin erhobenen Forderung „es braucht keine neuen Moscheen in Deutschland, sondern Ausbildungsplätze, soziale Gerechtigkeit und ein Ende der rechtlichen Diskriminierung von MigrantInnen“, die wir als radikale Linke und Atheisten inhaltlich teilen können, die aber schnell sehr missverständlich wird.
Deswegen scheint uns die Forderung nach einer allgemeinen Säkularisierung von Staat und Gesellschaft (also nach der Abschaffung von Religionsunterreicht, Kirchensteuer, etc.) sinnvoller zu sein. Für die Frage des Moscheebaus bedeutet das, dass gegen rassistische Mobilisierung natürlich auf der Forderung nach gleichen Rechten für alle Religionsgemeinschaften behart werden muss. Darüberhinaus ist aber auch der Blick auf den Einzelfall unumgänglich. Wenn es sich, wie z.B. bei Milli Görus oder den Muslimbrüdern um eine dem Selbstverständnis nach politische, also islamistische, Gemeinde handelt, kann die Linke davor nicht die Augen verschließen, sondern sollte die Schaffung solch eines islamistischen Zentrums ablehnen. Ansonsten vollzieht sie die, so islamistische wie letztendlich auch kulturrassistische, Identifikation von islamischer Religion und politischem Islam auch noch selber nach.
Das Spannungsfeld von Rassismus, Islamismus und Religionskritik wird die antifaschistische Linke auch in Zukunft, z.B. schon anlässlich des nächsten rassistischen „Anti-Islam-Kongress“ im Mai in Köln, beschäftigen. Es braucht also tatsächlich eine 3. Kraft jenseits von Rassimus und Islamismus. Und damit diese entstehen kann, muss sie überhaupt erstmal artikuliert werden. Der antifaschistischen Linken würde es mithin gut anstehen, sich daran auch praktisch zu beteiligen.
Demo gegen religiösen Fundamentalismus