Rede des "sozialrevolutionären & antinationalen Krisenbündnis" auf der Demonstration gegen die Innenministerkonferenz in Frankfurt am 22. Juni 2011

Das Elend und die Armut, die der Kapitalismus produziert, werden spätestens seit der Weltwirtschaftskrise auch in den reichen Industrieländern Europas immer spürbarer. In jenen Ländern, die von der Krise besonders erwischt wurden, also in Griechenland, in Portugal, aber auch in Spanien, haben sich breite Proteste gegen die staatliche und europäische Krisenpolitik entwickelt.

Die Frage, warum man diesen Schwachsinn, der sich Kapitalismus nennt, noch länger mitmachen sollte, scheint immer mehr Menschen nahezu unmittelbar vor Augen zu stehen. Das macht den Innenministern natürlich Angst, ist es doch ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschen regierbar bleiben, auch wenn die Strategien, mit denen die Kapitalverwertung am Laufen gehalten werden soll, offensiv und brutal sind. Der Maßnahmenkatalog, der den Innenministern hierfür zu Verfügung steht, ist lang. Hinter den diversen ideologischen Mitteln wie etwa der Entpolisierung oder Kriminalisierung sozialer Konflikte, Sachzwangargumentationen und dem Extremismusgerede stehen dabei stets die staatlichen – und mittlerweile auch privaten – Repressionsapparate. Gerade diese Repressionsapparate wurden von Innenministerien in den letzten Jahren erheblich ausgebaut und zu einer polizeistaatlichen Architektur vernetzt, um die Verwertungsinteressen von Staat und Kapital abzusichern. Das lässt sich an vielen Punkten feststellen: Die Polizei wurde aufgerüstet mit neuen Wasserwerfern und neuen Teleskopschlagstöcken aus Stahl – Mittel, deren Einsatz tödlich enden kann. Die ohnehin zunehmend enthemmte Gewalt der Polizei gegen politische Proteste wird so weiter eskaliert. Gleichzeitig wurde eine ganze Reihe von „Zentren“ ins Leben gerufen, in denen vor allem Polizei, Nachrichtendienste und Bundeswehr, aber auch Minister und Wirtschaftvertreter zusammenkommen, um Angriffe auf ihre Interessen effektiv abwehren zu können. Erwähnt seien hier nur das „Gemeinsame Terrorabwehrzentrum“ und das „Gemeinsame Internetzentrum“ in Berlin, das dieses Jahr aktivierte „Nationale Cyber-Abwehrzentrum“ und der „Nationale Cyber-Sicherheitsrat“ in Bonn und das „hessische Krisenzentrum“ in Wiesbaden.

Die in der Verfassung vorgesehene Trennung von Polizei und Geheimdiensten wird hierbei systematisch unterlaufen. Dieses Trennungsgebot hat allerdings seinen guten historisch Grund darin, einen erneuten Faschismus in Deutschland zu verhindern. Und dennoch werden heute Gesetze wie das „Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder“ als solche verkauft, die Freiheit und Demokratie schützen sollen.

Es zeigt sich hierin ein altes Phänomen: Im Namen der sogenannten freiheitlich-demokratischen Grundordnung und ihrer Sicherung wird ein systematischer Abbau von Freiheit und Demokratie organisiert. Wenn die Staatsfunktionäre diese Worte in den Mund nehmen handelt es sich allerdings nicht bloß um hohle Phrasen, mit denen Scheiße als Gold verkauften werden soll. Für die Herrschenden ist diese Scheiße Gold – und dementsprechend Ernst meinen sie es, wenn es um dessen Verteidigung geht.

Als der hessische Innenminister Boris Rhein, der in diesem Jahr der Innenministerkonferenz vorsitzt, vor einigen Wochen dem Verfassungsschutz zum 60jährigen Bestehen gratulierte, entblödete er sich deshalb auch nicht, den Verfassungsschutz als „einen zentralen Bestandteil der wehrhaften Demokratie“ zu bezeichnen. Als stünden nicht gerade diejenigen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, die versuchen, Naziaufmärsche konsequent zu verhindern – und als stünden nicht gerade diejenigen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, die heute hier für eine radikale Demokratisierung aller Lebensbereiche und für ein selbstbestimmtes Leben eintreten.

Wenn die Innenminister also von Sicherheit sprechen, meinen sie vor allem die Sicherheit der bestehenden Produktions- und Eigentumsverhältnisse, nicht der Individuen, die unter ihnen leiden – oder sind etwa die Jobs sicherer geworden oder die Gesundheitsversorgung oder die Bewegungsfreiheit und der Aufenthaltsstatus von Migrant_innen? Nein, das genaue Gegenteil ist der Fall: Jobs reichen nicht mehr zum Überleben und die Ausbeutung wird immer brutaler, medizinische Versorgung ist für viele kaum mehr bezahlbar und tausende Menschen sterben bei dem Versuch, das europäische Grenzregime zu überwinden. Allein seit März dieses Jahres sind Schätzungen des UNHCR zufolge 1200 Menschen auf der Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrunken. Angesichts dieser Zustände wird ein Rassist wie Thilo Sarrazin, der den Einsatz der deutschen Marine im Mittelmeer fordert, um die Flüchtlinge aus Nordafrika in ihrem Land zu halten, zum deutschen Volkshelden. Die aggressive Durchsetzung von Verwertungsinteressen verbindet sich hier in gutdeutscher Manier mit einer menschenverachtenden Politik rassistischer Ausgrenzung und neokolonialer Attitüde.

Dass diejenigen, die gegen diese Verhältnisse Widerstand organisieren, Gefahr laufen zum Opfer von Repression zu werden, zeigt die ganze Absurdität und den Zynismus der Sicherheitsfaselei der Innenminister. Für uns gilt dagegen: Das größte Sicherheitsrisiko ist der Kapitalismus selbst und mit ihm die staatliche Apparatur, die ihn sichert und am Leben hält! In diesem Sinne:

Innenministerien auflösen!
Für die soziale Revolution!

2000 auf Demo gegen die Innenministerkonferenz in Frankfurt Presseerklärung des Bündnis gegen die IMK
Redebeitrag zum 70. Jahrestag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion
Redebeitrag des IMK-Auflösen-Bündnisses
Redebeitrag der autonomen antifa [f]

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